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Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Titel: Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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Es wird allmählich Zeit, dass jemand meinen Platz einnimmt.«
    Eben wollte ich dagegen Protest erheben, als mit gehetztem Gesichtsausdruck Fermín eintrat, so keuchend, als hätte er soeben einen Marathonlauf absolviert.
    »Na?«, sagte Isaac. »Wie finden Sie’s?«
    »Herrlich. Obwohl ich feststelle, dass es keine Toilette gibt. Wenigstens nicht in Sichtweite.«
    »Ich hoffe, Sie haben nicht in eine Ecke gepinkelt.«
    »Mit übermenschlicher Anstrengung habe ich es bis hierher geschafft.«
    »Die Tür hier links. Sie müssen zweimal spülen, beim ersten Mal klappt’s nie.«
    Während Fermín seinen Urin abschlug, schenkte ihm Isaac eine dampfende Tasse ein.
    »Ich habe eine ganze Reihe Fragen, die ich Ihnen gern stellen würde, Don Isaac.«
    »Fermín, ich glaube nicht, dass …«
    »Nur zu, fragen Sie.«
    »Der erste Block hat mit der Geschichte dieses Orts zu tun. Der zweite ist technischer und architektonischer Natur. Und der dritte grundsätzlich bibliographisch …«
    Isaac lachte. Ich hatte ihn mein Lebtag noch nie lachen sehen und wusste nicht, ob das ein Zeichen des Himmels oder die Ankündigung einer drohenden Katastrophe war.
    »Zuerst werden Sie das Buch aussuchen müssen, das Sie retten wollen.«
    »Ich habe ein paar ins Auge gefasst, dann habe ich mir aber erlaubt, das da zu wählen, und sei es nur aus sentimentalen Gründen.«
    Er zog einen in rotes Leder gebundenen Band mit Relief-Goldprägung und dem Stich eines Totenkopfs auf dem Umschlag aus der Tasche.
    »Oho, Die Stadt der Verdammten, dreizehnte Episode: Daphne und die unmögliche Treppe , von David Martín …«, las Isaac.
    »Ein alter Freund«, erklärte Fermín.
    »Was Sie nicht sagen. Denken Sie nur, es gab eine Zeit, wo ich ihn oft hier sah.«
    »Das muss vor dem Bürgerkrieg gewesen sein«, bemerkte ich.
    »Nein, nein, einige Zeit danach.«
    Fermín und ich schauten uns an. Ich fragte mich, ob Isaac tatsächlich recht hatte damit, dass er langsam zu alt war für seine Stelle.
    »Ich möchte Ihnen ja nicht widersprechen, Chef, aber das ist unmöglich«, sagte Fermín.
    »Unmöglich? Sie werden sich deutlicher ausdrücken müssen.«
    »David Martín ist vor dem Bürgerkrieg aus dem Land geflohen«, erklärte ich. »Anfang 1939, gegen Ende der Kampfhandlungen, kam er über die Pyrenäen zurück und wurde nach wenigen Tagen in Puigcerdá verhaftet. Er hat bis weit ins Jahr 1940 hinein im Gefängnis gesessen, und dann wurde er umgebracht.«
    Isaac schaute uns verdutzt an.
    »Sie dürfen ihm glauben, Chef«, beteuerte Fermín. »Unsere Quellen sind glaubwürdig.«
    »Ich kann Ihnen versichern, dass David Martín hier auf diesem Stuhl gesessen hat wie jetzt Sie, Sempere, und dass wir uns eine Weile unterhalten haben.«
    »Sind Sie sicher, Isaac?«
    »Ich bin mir in meinem ganzen Leben keiner Sache so sicher gewesen. Ich erinnere mich deshalb, weil ich ihn seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Er war übel zugerichtet und sah krank aus.«
    »Können Sie sich noch an das Datum erinnern?«
    »Ganz genau. Es war die letzte Nacht des Jahres 1940. Silvester. Da sah ich ihn zum letzten Mal.«
    Fermín und ich verloren uns in Rechnereien.
    »Das bedeutet, dass dieser Gefängniswärter, Bebo, recht hatte mit dem, was er Brians erzählte. In der Nacht, in der Valls ihn in das alte Haus beim Park Güell fahren und umbringen ließ … Bebo erzählte, nachher habe er die beiden Typen sagen hören, etwas sei dort geschehen, es sei noch jemand in dem Haus gewesen … Jemand, der Martíns Tod verhindern konnte …«, phantasierte ich.
    Bestürzt hörte sich Isaac diese krause Geschichte an.
    »Wovon sprechen Sie? Wer wollte Martín umbringen?«
    »Das ist eine lange Geschichte«, sagte Fermín. »Mit tonnenweise Randbemerkungen.«
    »Da bin ich ja gespannt, ob Sie sie mir eines Tages erzählen …«
    »Hatten Sie den Eindruck, Martín sei bei klarem Verstand gewesen, Isaac?«, fragte ich.
    Der alte Aufseher zuckte die Schultern.
    »Bei Martín wusste man nie … Dieser Mann hatte eine gequälte Seele. Als er ging, wollte ich ihn zum Zug begleiten, aber er sagte, draußen warte ein Auto auf ihn.«
    »Ein Auto?«
    »Nichts weniger als ein Mercedes-Benz. Eigentum eines Mannes, den er als den Patron bezeichnete und der ihn offenbar vor der Tür erwartete. Doch als ich mit ihm hinausging, war da weder ein Auto noch ein Patron, noch sonst was …«
    »Nehmen Sie es mir nicht übel, Chef, aber an Silvester und in Feierstimmung, könnte es da nicht sein,
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