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Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Titel: Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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anderen Seite des nationalen Hafenbeckens einen großen Kreuzer die Anker lichten, um in See zu stechen. Das Schiff löste sich von der Mole und drehte mit einem Propellerschub, der im Hafenwasser eine breite Kielspur hinterließ, den Bug der Hafeneinfahrt zu. Dutzende Passagiere waren an Deck gekommen und winkten. Ich fragte mich, ob sich unter ihnen auch die Rociíto und ihr schmucker rüstiger Schrotthändler aus Reus befanden. Nachdenklich schaute Fermín dem Schiff nach.
    »Glauben Sie, die Rociíto wird glücklich werden, Daniel?«
    »Und Sie, Fermín? Werden Sie glücklich sein?«
    Wir sahen, wie sich das Schiff entfernte und die Gestalten immer kleiner und dann unsichtbar wurden.
    »Fermín, da gibt es etwas, was ich gern wüsste. Warum hat Ihnen niemand ein Hochzeitsgeschenk machen dürfen?«
    »Ich mag die Leute nicht in Verlegenheit bringen. Und zudem – was sollten wir mit einer Gläser- und Löffelchengarnitur mit eingraviertem Spanienwappen und solchem Zeug anfangen?«
    »Mir macht es jedenfalls Spaß, Ihnen etwas zu schenken.«
    »Sie haben mir schon das größte Geschenk gemacht, das man sich vorstellen kann, Daniel.«
    »Das zählt nicht. Ich spreche von einem Geschenk für den persönlichen Gebrauch und Genuss.«
    Fermín sah mich neugierig an.
    »Es wird doch nicht etwa eine Muttergottes aus Porzellan oder ein Kruzifix sein? Die Bernarda hat schon eine ganze Sammlung davon, so dass ich gar nicht mehr weiß, wo wir uns hinsetzen sollen.«
    »Keine Bange. Es ist kein Gegenstand.«
    »Aber doch nicht etwa Geld …«
    »Sie wissen ja, dass ich leider keinen Cent habe. Der mit dem Kapital ist mein Schwiegervater, und der macht nichts locker.«
    »Diese Spätfranquisten kleben an ihrem Geld wie die Schuppen von Kiefernzapfen aneinander.«
    »Mein Schwiegervater ist ein guter Mensch, Fermín. Legen Sie sich nicht mit ihm an.«
    »Ziehen wir einen Schleier davor, aber wechseln Sie jetzt nicht das Thema, wo Sie mir schon den Speck durch den Mund gezogen haben. Was für ein Geschenk denn?«
    »Raten Sie.«
    »Ein Posten Sugus.«
    »Kalt, kalt …«
    Fermín zog die Brauen in die Höhe und starb fast vor Neugier. Plötzlich begannen seine Augen zu leuchten.
    »Nein … Es wurde aber auch Zeit.«
    Ich nickte.
    »Alles im gegebenen Moment. Jetzt hören Sie mir gut zu. Was Sie heute sehen werden, dürfen Sie niemandem erzählen, Fermín. Niemandem …«
    »Auch nicht der Bernarda?«

6
    Das erste Sonnenlicht des Tages glitt wie flüssiges Kupfer über die Gesimse der Rambla de Santa Mónica. Es war Sonntagmorgen, und die Straßen lagen still und verlassen da. Als wir in die schmale Calle del Arco del Teatro einbogen, erlosch mit unseren Schritten allmählich der grauenerregende Lichtstrahl von den Ramblas her, und sowie wir vor dem großen Holzportal standen, waren wir schon in eine Schattenstadt getaucht.
    Ich stieg die paar Stufen hinan und ließ den Türklopfer niederfallen. Langsam wie die Wellen auf einem Teich verlor sich das Echo im Inneren. Fermín, in respektvolles Schweigen versunken wie ein Junge, der kurz vor seinem ersten religiösen Zeremoniell steht, schaute mich ängstlich an.
    »Ist es nicht doch sehr früh, um anzuklopfen?«, fragte er. »Da wird der Chef sicher sauer.«
    »Das ist nicht das Warenhaus El Siglo. Es gibt keine Öffnungszeiten«, beruhigte ich ihn. »Und der Chef heißt Isaac. Sagen Sie nichts, ehe er Sie fragt.«
    Er nickte gehorsam.
    »Ich sage keinen Piep.«
    Zwei Minuten später vernahm ich das Ballett der Räderwerke, Rollen und Hebel, mit denen das Schloss gesteuert wurde, und ging die Stufen wieder hinunter. Das Tor öffnete sich nur eben eine Handbreit, und es erschien das Adlergesicht des Aufsehers Isaac Monfort mit seinem gewohnt beißenden Blick. Seine Augen ruhten zuerst auf mir, glitten dann über Fermín und röntgten, katalogisierten und durchbohrten diesen schließlich gewissenhaft.
    »Das muss der berühmte Fermín Romero de Torres sein«, brummelte er.
    »Zu Diensten – Ihnen, Gott und …«
    Ich stieß ihm den Ellbogen in die Rippen, um ihn zum Schweigen zu bringen, und lächelte dem gestrengen Aufseher zu.
    »Guten Tag, Isaac.«
    »Gut wird der Tag sein, an dem Sie einmal nicht in aller Herrgottsfrühe anklopfen, wenn ich auf dem WC sitze, oder an einem gebotenen Feiertag, Sempere«, erwiderte Isaac. »Los, rein mit Ihnen.«
    Er öffnete das Portal um eine weitere Handbreit, so dass wir hineinschlüpfen konnten. Als die Tür hinter uns zuging, hob
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