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Barakuda der Wächter 03 - Die Freihändler von Cadhras

Barakuda der Wächter 03 - Die Freihändler von Cadhras

Titel: Barakuda der Wächter 03 - Die Freihändler von Cadhras
Autoren: Gisbert Haefs
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niedrige Manntiere aus ihnen zu machen. Es war leichter, die zu intelligentem Verhalten (wenn auch innerhalb eines absurden Systems) erzogenen Wehrhaften Jungfrauen von ihrer Konditionierung zu befreien. Gortahork dachte in untauglichen Vergleichen, die das Problem verdeutlichten. Die Wehrhaften Jungfrauen waren erzogen, die Welt schwarzweiß zu sehen; es war aber nicht unmöglich, ihnen Farben näherzubringen und die Schablone Fremd-Schwarz-Böse aufzubrechen. Die ehemaligen Sklaven hingegen waren gewissermaßen von Kindheit an geblendet, verstümmelt worden und konnten Schritte in der Dunkelheit nur tun, wenn jemand sie an der Hand nahm. Einige begannen zu sehen, andere würden im mer blind bleiben.
    Gortahork blickte nach der Sonne, die sich im Westen hinter dünnen Wolken als orangeroter Fleck abzeichnete. Der große, kraftvolle Mann rieb sich die Augen. Zum ersten Mal in seinem Leben war er nicht überzeugt, eine Aufgabe bewältigen zu können. Seit zwanzig Tagen ritt er mit der Herde und den Männern durch die Steppe nach Süden, und der Zwang zu unausgesetzter Aufmerksamkeit höhlte ihn aus. Nicht einmal bei der Hetzjagd durch Pasdan war er so erschöpft gewesen. Damals hatten sie lange Strecken in kürzester Zeit zurücklegen müssen, fast ohne Schlaf und mit gelegentlichen Kämpfen. Aber er hatte sich nicht jeden Morgen darum zu kümmern brauchen, ob alle Sattelgurte festgeschnallt, alle Kochgeschirre verpackt, alle Jacken zugeknöpft waren.
    Abends kamen sie zum Golzain. Einige Kilometer flußabwärts fand sich eine weite Uferwiese, durch einen steilen Hang von der Savanne getrennt. Sie trieben die Kälber in die Senke. Gortahork sattelte sein Pferd ab; er und die drei halbwegs selbständigen Männer halfen den anderen beim Absatteln. Einer nahm drei seiner armen Kameraden mit und sammelte Holz. Gortahork gab Anweisungen – Wasserholen, Decken ausbreiten, Sättel als Kopfkissen zurechtlegen. Er machte Feuer, während die anderen zum Fluß gingen, sich gehorsam auszogen und wuschen – das erste große Wasser seit Tagen, und Gortahork konnte den Gestank nicht länger ertragen.
     
    Zwei Tage später erreichten sie die Vororte von Golazna. Die eigentliche Stadt lag auf einer Felseninsel, einen halben Kilometer vor der Küste und einen Kilometer östlich der Flußmündung, geschützt durch gewaltige Mauern. Westlich des größten Mündungsarms hatte der Golzain ein ausgedehntes Delta gebildet, das von Riedinseln und Salzsümpfen durchsetzt war. Die östlichen Nebenarme waren von den Shil zu einer Lagune zusammengefaßt worden, in der man Speisefische züchtete. Ein Netz von Kanälen bewässerte Reisfelder, und Dammstraßen verbanden die Dörfer und Vororte mit dem Festlandshafen. Es gab kaum Weideland; die Bewohner von Golazna deckten ihren Fleischbedarf, indem sie Vieh aus dem Hinterland kauften. Die Herde, die Gortahork und seine Männer in den großen Schlachthofpferch trieben, gehörte dem Banyashilstamm der Tugril. Auch sie waren, wie so viele andere Stämme und Sippen, bereit gewesen, kleine Gruppen ehemaliger Sklaven und Wehrhafter Jungfrauen aus Pasdan aufzunehmen und an ein neues Leben zu gewöhnen.
    »Neunhundertsiebenundsechzig«, sagte der Meister der Fleischzunft, der alle mit Fleisch befaßten Golazna’ri angehörten, vom Futtergehilfen über die Kehler und Pökler bis zu den Beschauern, Wurstern und Verkäufern.
    Gortahork hatte mitgezählt. 967 von 1100; das war nicht gut und nicht schlecht. Einige Tiere hatten sie unterwegs geschlachtet und verzehrt, andere waren in die Steppe gelaufen und verloren. ›Der Zufall sorgt dafür‹, dachte Gortahork grimmig, ›daß immer dann ein Kalb sich ein Bein bricht und geschlachtet werden muß, wenn man gerade schon ein anderes geschlachtet hat.‹ Immerhin – etwas mehr als zehn Prozent Verlust auf fast tausend Kilometern, bei zehn unmündigen Kindern als Treiber. Es hätte schlimmer kommen können.
    Die ehemaligen Sklaven sollten die Nacht mit anderen Schlachthofarbeitern in der geräumigen Baracke des Komplexes verbringen. Gortahork begleitete den Zunftmeister ins Büro.
    »Nun, Vater der Banyashil«, sagte der Altere respektvoll, »wie wollen wir das Geschäft abwickeln?«
    Gortahork streckte die Beine aus. Der Sessel war nicht bequem, aber der ehemalige Fürst der Nomaden war nicht an bequeme Sessel gewöhnt. Mit dem Sturz von Pasdan war die Notwendigkeit erloschen, daß es Fürsten gab; die Ach tung, die Gortahork in zwanzig Jahren erworben
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