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Bankster

Bankster

Titel: Bankster
Autoren: Gudmundson
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Jahre als zehn Tage.
    Die Zeit vergeht im Moment so schnell, dass alles fast im selben Moment, in dem es passiert, Geschichte wird.

Tag 8
    Es ist noch nicht Mittag, und ich liege schon vor der Mattscheibe und schreibe. Der Abspann läuft. Ich habe mir Rocky Balboa angesehen (Never give up and never stop believing). Wachstumshormone sind kein Jungbrunnen, mein lieber Sylvester, es sei denn, Jugend äußert sich durch Lächerlichkeit.
    Gestern habe ich Vésteinn angerufen und ihm vom Tagebuch erzählt. Er hat sich wahnsinnig gefreut und mir jede Menge Tipps gegeben, musste aber zugeben, dass er selbst kein Tagebuch führt. In einer Woche wollen wir uns treffen. Gerade ist er nach Edinburgh geflogen, um seine Freundin zu sehen. Sie ist zum Promovieren dort, Biologie – nein, eher Psychologie.
    Wenn Harpa morgens aufgestanden ist, schaffe ich es immer noch nicht, liegen zu bleiben. Heute Morgen bin ich hinter ihr her und habe versucht, frisch und fröhlich zu wirken. Hoffentlich fällt ihr nicht auf, wie schwer mir das fällt. Während sie unter der Dusche stand, habe ich Müsli und Dickmilch für sie gemischt. Sie hat am Küchentisch gefrühstückt, mit nichts an außer ihrem schwarzen Winterbademantel. Ich stand am Waschbecken und sah sie an. Wir schwiegen. Sie war noch in ihrer Morgenstarre und kaute langsam, die Hand mit der Schale auf dem Schoß und die Beine übereinandergeschlagen. Als ich die Gänsehaut an ihren Waden sah, wollte ich was sagen, habe aber weiter geschwiegen, Toastbrot gegessen und Kakao getrunken. Sie hat eine perfekte Haut: hell, aber gesund, vorne an den Schienbeinen glänzend glatt, an Waden, Fußrücken und Zehen etwas matter. Sie erstaunt mich immer wieder und macht mich schweigsam, wenn ich sie so vor mir sehe.
    Harpa hat über DIE SITUATION geredet, als wir beim Kaffee saßen. Das interessiert mich kein bisschen, und als das Gespräch für mich lang genug gedauert hatte, bin ich runtergegangen, um die Zeitung zu holen. Als ich wieder hochkam, zog sich Harpa gerade an. Ich setzte mich an den Küchentisch, schenkte mir Kaffee nach und versuchte mich lieber an einem leichten Sudoku, als die Nachrichten zu lesen. Harpa schimpfte, wie sehr sie das Haareglätten hasse, sagte, dass sie dazu überhaupt keine Lust habe, ihr Haarschnitt aber nicht ohne funktionieren würde. Ich stand auf, ging ins Badezimmer und sah zu, wie sie einige Strähnen einklemmte und das Eisen langsam nach unten zog, und zwischendurch sind meine Augen nach unten zu ihren Beinen in der lila Strumpfhose gewandert. Im Herbst hat sie sich zuletzt die Haare aufhellen und den Pony schneiden lassen, genau über den Augenbrauen. Ich habe sie gebeten, die Haare so lang wie möglich zu lassen, habe ihr gesagt, dass ihre Art, die Haare zurückzuwerfen, zu ihrem Charakter gehört. Geglättet reichen sie bis zu den Schulterblättern.
    Harpa fragt immer, ob ich sie nicht eben zur Arbeit bringen und dann den Jeep haben will, um etwas zu erledigen, aber ich weiß nicht, was ich erledigen könnte. Obwohl ich ununterbrochen nach vorne denke, überlege, was ich tun könnte, mit wem ich sprechen sollte, zuerst ein paar Tage vorausdenke, dann eine Woche, und auf einmal einen Monat, habe ich keine Ahnung, wie ich den Jeep nutzen könnte, und sage dann, dass sie ihn unbedingt nehmen soll.
    Dieser spekulative Schuss in die Zukunft verfehlt immer das Ziel, führt immer zu hoffnungslosen Ergebnissen – aber trotzdem ist es, als würde ich das alles nicht glauben, nicht glauben, dass alles auf dem Weg zum Teufel ist. Entweder bin ich wahnsinnig optimistisch – ohne zu verstehen warum –, oder ich lasse die Realität nicht an mich heran.

Tag 9
    Harpa wollte wissen, was ich da eigentlich immer mache, wenn ich mich so abseits ins Wohnzimmer setze. Ich kaute auf dem Stift herum und sagte, dass ich mir Notizen mache. Zweifellos mache ich mir Notizen, zumindest wenn es gut läuft, aber noch bevor ich antworten konnte, hatte Harpa schon das Interesse an der Frage verloren und weiter zwischen den Sendern hin- und hergeschaltet. Erst bei Eurosport hat sie Halt gemacht, und jetzt sieht sie sich ein Tennisspiel an. Das hat sie mir verkündet, gesagt, dass sie zwei heißen Kerlen zusieht, die sich mit einem gelben Ball und zwei löchrigen Kellen vergnügen, und sie hat lauter gedreht, damit ich ihr Gestöhne hören kann. Sie ist schon ziemlich gut dabei. Wir hatten keine Lust zu kochen und sind essen gegangen, saßen fast drei Stunden bei Vorspeise,
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