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Bankster

Bankster

Titel: Bankster
Autoren: Gudmundson
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nach zwei hat sie mit dem Psychologen gesprochen und ist dann nicht sofort gegangen, wollte noch bei ihren Leuten bleiben. Den ganzen Tag über hatte ich das Gefühl, abzustürzen. Ich darf mich nicht mehr von allem so überraschen lassen.
    Als ich aufbrechen musste, war Harpa immer noch nicht da, und ich machte mich lieber auf den Weg, als weiter allein mit dem Laptop auf dem Schoß vor dem Fernseher zu sitzen. Vésteinn war gerade dabei, einen Hamburger zu essen und Bier zu trinken, als ich kam. Ich ließ das Tagebuch auf den Tisch fallen. Ich hatte es mitgenommen, um zu beweisen, dass ich schreibe, und um Vésteinn die ersten Einträge lesen zu lassen. Er war sehr interessiert und las sofort los. Ich habe mir in der Zwischenzeit ein paar Pommes von ihm geklaut und seinen Gesichtsausdruck beobachtet. Als ich mir einbildete, dass er am Ende angelangt sei, lächelte er, er tat es genau in dem Moment, in dem ich mit einem Lächeln gerechnet hatte, und bevor er den Text in mehrfacher Hinsicht lobte, meinte er noch, dass er das Tagebuchschreiben nicht aus geschichtswissenschaftlichen Gründen vorgeschlagen habe. Ich erwiderte, dass ich wahrscheinlich einfach zu viele Präsentationen und Berichte verfasst hatte, die aus heutiger Sicht natürlich reine Lügenmärchen seien, aber Vésteinn zuckte nur mit den Achseln und erinnerte mich an die Artikel, die ich früher mal für die Studentenzeitschrift geschrieben hatte, bevor wir uns lange darüber unterhielten, wie wir Jungs vom Lande ganze Tage mit Büchern in der Scheune verbracht hatten.
    Harpa hat sich nicht gemeldet, während wir dort saßen und ziellos und mit Zeitsprüngen erzählten, und ich habe erst wieder an sie gedacht, als Vésteinn fragte, wie es »deiner Harpa« nach den Kündigungen des Tages ginge. Da bin ich aufgesprungen, habe mit dem Handy gewedelt und bin zum Telefonieren nach draußen gegangen. Sie war schon ziemlich angetrunken und fragte, ob ich nicht zur Kündigungsparty »Gefeuert 2008« kommen wolle. Ich sagte ihr zuliebe zu.
    Die restliche Zeit über versuchte ich, Vésteinn zuzuhören, während ich an Harpa dachte, einerseits zur Party wollte, andererseits aber auch nicht, am liebsten nur hingehen wollte, um sie abzuholen und den ganzen Weg bis nach Hause zu tragen. Trotzdem blieb ich auf den Tisch gesunken weiter sitzen, bis wir uns plötzlich in einem lärmenden Vergnügungslokal befanden, ohne uns bewegt zu haben, nur noch Alkohol an den Tischen um uns herum, das Licht gedimmt, schwarzgekleidete Türsteher zur Nachtschicht. Wir hatten keine Lust, uns anzuschreien oder betrunkener zu werden, sind daher aufgebrochen, langsam die Straße entlanggelaufen und haben uns viel herzlicher als beim letzten Mal verabschiedet.
    Auf dem Heimweg habe ich einen Abstecher auf den Arnarhóll gemacht und über das Stadtzentrum geblickt. Das mache ich manchmal, wenn das Wetter gut ist und ich nicht in Eile bin. Es hob meine Laune, die Bauarbeiten am Hafen zu betrachten, zu sehen, wie viel vom Alten schon abgerissen war, diesen ganzen Platz für die schöne Zukunft zu sehen – ach was, ich war einfach stolz auf diese Umgestaltung, an der ich einen gewissen Anteil habe, weil ich mich um die Finanzierung gekümmert hatte. Im Sommer fand ich es schön, die Touristenschwärme zu beobachten, die durch die engen Straßen liefen, während ihr Ausflugsschiff am Hafen wartete, so groß, dass es einen Schatten auf die Stadt warf. Aber vorhin, als ich das beleuchtete Grundgerüst der Konzert- und Konferenzhalle sah, die so vieles verändern sollte, die das Fundament der neuen Stadt und des Musiklebens auf Weltniveau werden sollte, war ich voller Leere, wenn das überhaupt möglich ist, und kurz darauf voller Traurigkeit, hatte einen Kloß im Hals und musste den Blick abwenden. Ich weiß noch, dass ich an einen Grillspieß gedacht habe, als ich drei kleine Wolken sah, die auf die Friedenssäule aufgespießt waren, aber als ich in der klirrenden Kälte das Tagebuch und einen Stift aus der Tasche zog, kam kein Wort über einen Grillspieß – jedenfalls nicht zu jenem Zeitpunkt.

Tag 17

    Harpa hat telefoniert, als ich heute Morgen aufgewacht bin. Den ganzen Tag über war sie immer wieder am Telefon, bestimmt auch während des Essens bei ihren Eltern. Gerade putzt sie sich die Zähne vorm Schlafengehen, morgen muss sie zu ihrer neuen Arbeit, sie ist jetzt Vertretungslehrerin an einer Grundschule.

Tag 18

    Als ich ins Bett kam, habe ich Harpa gelobt. (Ich sagte in etwa: »Du
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