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Bankster

Bankster

Titel: Bankster
Autoren: Gudmundson
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bist unglaublich, Liebes, ohne zu zögern einfach so weiterzumachen.«) Sie hat nicht sofort geantwortet, und ich hoffte, dass sie schon schliefe: »Markús, wir haben unsere Jobs verloren, aber nicht unser Leben, und damit muss es weitergehen.«
    Dem kann ich nicht widersprechen. Trotzdem ist da etwas, das mir sagt, dass das nicht so einfach ist. Natürlich müssen wir weiterleben, und ich würde nie sagen, dass die Arbeit mein Leben war, aber die Arbeit war ein Teil meines Lebens, mit dem ich sehr zufrieden war – ja, ich war richtig verliebt in mein Leben, besonders aber in die Zukunft, die noch folgen sollte.
    Diese achtzehn Tage sind schwarz-weiß, tintenblau-weiß im besten Fall, aber real. In den letzten Jahren hatte das Leben kräftige Farben. Jetzt bin ich morgens nach dem Aufwachen nicht mehr gespannt auf das, was kommt, freue mich nicht mehr darüber, an der Umsetzung eines großartigen Projekts beteiligt zu sein, sondern habe Angst davor, aufzustehen und mich Witzfigur im Badezimmerspiegel zu sehen.

Tag 20

    Manchmal habe ich das Gefühl, verschwunden, in Luft aufgelöst zu sein. Ein unangenehmes Gefühl. Vielleicht bin ich einfach zu sehr daran gewöhnt, den ganzen Tag von Leuten umgeben zu sein und abends von Harpa umgarnt zu werden, dass ich nicht mehr so lange allein sein kann? Das ist alles andere als ausgeschlossen. Jedenfalls macht mich dieses Alleinsein manchmal unerträglich rastlos, weil ich es als aufgezwungen empfinde. Auch unter Leuten werde ich unruhig, kommt es mir vor, als hätte ich nichts zu erzählen, und dann will ich mich dorthin zurückziehen, wo ich unbehelligt schweigen kann.
    Neulich habe ich mich ans Telefon gehängt und die Kontaktliste durchgeblättert. Dort stehen viele Namen, die ich anrufen könnte, aber nur selten komme ich übers »H« hinaus. Deshalb habe ich auch erst ein einziges Mal meine Schwester Helena angerufen, bis ich es heute noch mal gemacht und statt des gewöhnlichen Freizeichens einen Diskoschlager von Páll Óskar gehört habe, bis sie drangegangen ist. Sie war gerade aus der Schule gekommen, und wir haben uns darüber unterhalten, wie es bei ihr läuft und was sie machen möchte, wenn sie mit der Schule fertig ist. Sie war sich sicher, dass sie nach Reykjavík an die Uni will, aber noch unentschlossen, in welchem Fach. Sie meinte auch, dass sie so schnell wie möglich ihre Sportmannschaft wechseln wolle, weil sie es leid sei, dass es so wenige Mädchen gäbe und sie mit den schlaffen Jungs trainieren müsse. Ich fragte, an welche Mannschaft sie denke; sie wusste es noch nicht, sie wolle erst noch mit den Fußballmädchen hier in der Stadt sprechen, da mehrere Clubs in Frage kämen.
    Während unseres Gesprächs wollte ich sie ein paarmal nach ihrem Freund fragen, ließ es aber sein. Sie sind seit Sommer zusammen, und im Herbst hat mir Mama von der »veränderten Situation« meiner Schwester erzählt, aber ich wollte den Helden nicht gleich anerkennen, fand, dass Helena ihn an passender Stelle ins Spiel bringen müsse – am Ende habe ich dann doch nach ihm gefragt, wer er ist und wie es mit ihnen so läuft. Die Frage kam nicht wirklich gut an, und Helenas Stimme klang plötzlich anders, sie wirkte auf einmal einige Jahre jünger, hatte aber nichts dagegen, über ihren Villi zu reden. Sie seien »halt einfach happy«.
    Als ich ihren Namen auf dem Telefondisplay gesehen hatte, musste ich daran denken, wie ich Helena zum ersten Mal sah. Das war im Juni 1990, sie war damals sieben Monate alt. Als Mama und Papa nach Kolumbien gefahren sind, um sie abzuholen, bin ich bei Oma und Opa geblieben. Ich weiß noch, dass Opa mit »dieser Vorgehensweise« nicht wirklich einverstanden war, ein Kind von so weit her zu holen, noch nicht einmal, als ich bei ihnen war und wir alle auf »die Prinzessin« warteten. Ich hatte sie einmal im Wohnzimmer darüber reden hören, als ich nicht schlafen konnte und in den Flur gegangen war. Da sollte es noch einige Jahre dauern, bis man Opa sagen hörte, dass die Schönheit eindeutig von draußen aus der Welt komme.
    Zwei Wochen nachdem sie sich in der Diele bei Oma und Opa von mir verabschiedet hatten, standen Mama und Papa wieder da, als ich außer Atem durch die Tür kam. Helena war auf Mamas Arm, von Papa, Oma, Opa und zwei Tanten umringt, und in dem Moment, in dem ich dazukam, bewegte sie ihren Arm, als ob sie mich begrüßen wollte, und alle lachten. Dieses Bild habe ich noch ganz deutlich vor Augen, die lachenden Erwachsenen,
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