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Banatsko (German Edition)

Banatsko (German Edition)

Titel: Banatsko (German Edition)
Autoren: Esther Kinsky
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schlossen hinter uns ab. Der Himmel war schon grau, die Vögel sangen. Es roch nach Abwasser und Moder, nach verfaulten Lindenblüten, nach Schlamm, nach Mist und Gras, und in diese ganze stinkende Nässe mischte sich ein brandiger Hauch, als hätte das Gewitter ein großes Feuer gelöscht.
    Der Akkordeonspieler zeigte auf eine regennasse Bank, die vor der Kneipe stand.
    Sie war blaugrün, verwittert wie der Giebel der Bahnhofsveranda.
    Setz dich, sagte er, ich will dir noch eine Geschichte erzählen.

DIE LIEBE
    Einmal wohnte ein Mädchen am Rande einer Ortschaft dieser Gegend. Ihr Haus sah eher aus wie ein Stall, es bestand nur aus einem schmalen Raum. Die Tür stand meistens offen und man konnte hineinschauen. Dann sah man ihr Bett, über das etliche bunte Decken gebreitet waren. Oft lag sie auf dem Bett, bei offener Tür. Dann sah man ihre nackten Beine und ihr kariertes Kleid. Sie trug immer ein kariertes Kleid und manchmal eine dunkle Strickjacke darüber. Wenn es kühl war, trug sie Socken an den Füßen. Das Kleid reichte ihr bis zu den Knien, aber wenn sie lag, rutschte es hoch. Ihre Schuhe standen ordentlich nebeneinander vor dem Bett. Manchmal gingen Männer zu ihr, sie machten die Tür hinter sich zu und kamen nach einer Weile wieder heraus. Hätte man das Mädchen beschreiben wollen, hätte man wahrscheinlich nur von ihren runden Knien, den weißen Waden und dem karierten Kleid sprechen können.
    Eines Tages ging ein Mann zu ihr und setzte sich auf ihr Bett, ohne die Tür zu schließen. Jeder kannte den Mann, er war oft im Wirtshaus und verdingte sich hier und da mit kleinen Arbeiten. Er war klein und behaart, und man nannte ihn den Kurzen, weil er so klein war. Im Wirtshaus war der Kurze schweigsam, er tanzte manchmal feurig, wenn die Stimmung danach war, aber gleich darauf stand er wieder am Schanktisch und nahm sein Schnapsglas und schwieg. Doch jetzt saß er bei dem Mädchen und erzählte. Es war ein Frühlingsabend, der Wind raschelte in den krüppligen kleinen Bäumen, man hörte das Mädchen lachen, während die Sonne in der Ferne unterging. Komm wieder, sagte sie, als er gehen wollte, und von da an kam der Kurze jeden Tag. Er setzte sich an das Fußende ihres Bettes, so dass er ihre Knöchel und ihre Füße verdeckte, und erzählte. Manchmal streichelte er ihr dabei die Beine, bis zum Rand des karierten Kleids und wieder zurück, immer auf und ab. Dabei hob und senkte er die Stimme, er gluckerte und raunte und lachte und brauste mit seiner Stimme und beschrieb auch mit der freien Hand Bilder in der Luft. Er erzählte ihr von allen möglichen Dingen jenseits der Ebene, die er gesehen oder von denen er gehört haben wollte. Er beschrieb alles so, wie es ihm gefiel, und das bereitete dem Mädchen große Freude.
    Mit ihr ging inzwischen eine Veränderung vor. Sie lag nicht mehr bei offener Tür auf dem Bett, sondern saß auf der Bettkante oder auf einem Stuhl vor dem Haus und manchmal stand sie auch in der Tür und lehnte sich an den Rahmen. Sie hielt die Hände auf dem Rücken verschränkt und schaute hinaus in die Ebene. Oder sie kämmte ihre langen Haare, dann sah sie sehr schön aus. Ihre Haare waren rötlich und dick, und weil sie sie so oft kämmte, schwebte immer ein zartes Kränzchen einzelner Haare um ihren Kopf, die von der Reibung des Kamms elektrisch aufgeladen waren und in eine andere Richtung strebten als abwärts. Dieses Kränzchen leuchtete im Sonnenlicht. Man begann, von ihrer Schönheit zu sprechen und dem Kurzen eine gewisse Achtung entgegenzubringen, während man ihn vorher eher unbeachtet gelassen hatte.
    Es wurde Sommer, und der Kurze baute ihr eine Sommerdusche hinter dem Haus, das war ein einfaches hohes Holzgestell. Oben war ein Eimer befestigt, der mit Wasser gefüllt wurde. Das Wasser erwärmte sich in der Sonne, und an einer Schnur im Eimerrand ließ sich der Eimer neigen. Das Mädchen liebte die Sommerdusche sehr, und wenn der Kurze zu ihr kam, hörte man sie unter der Dusche lachen und plätschern. Der Kurze brachte ihr auch eine Lampe mit einem roten Schirm und ein Kofferradio. Sie stellte das Kofferradio ans Fenster, es lief den ganzen Tag. Das Mädchen hörte sich alles an, jede Musik und jeden Bericht. Die rote Lampe stand drinnen neben dem Bett und verbreitete ein gedämpftes Licht, das man abends durch das Fenster sehen konnte. Der Kurze sammelte den Unrat und allerlei Zerbrochenes aus ihrem Garten und harkte die Erde. Er pflanzte Blumen, die sehr schnell wuchsen
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