Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Banatsko (German Edition)

Banatsko (German Edition)

Titel: Banatsko (German Edition)
Autoren: Esther Kinsky
Vom Netzwerk:
Fabrikgelände war. Im Herbst stank es von den Zuckerrüben, die hier auf kleinen Eisenbahnwaggons angefahren wurden. Und da unter den Pappeln drückten sich nach den Sportstunden die Verliebten herum. Im Winter war es so kalt, dass das tropfende Wasser aus den Wasserhähnen im Waschraum gefror und einen rostroten Zapfen bildete.
    Einmal stand die Tür auf, und meine Ziege ging einfach hinein, sagte die alte Frau. Sie ging die Treppe hinauf und blieb vor einem großen Spiegel stehen. Da stand sie stock-still und guckte sich selbst an. Die Putzfrauen klatschten in die Hände, um sie zu verscheuchen, ki fele, schrien sie sie an, ki fele, raus mit dir! Doch sie rührte sich nicht, bis die Putzfrauen sie an den Hörnern packten und die Treppe hinunter schleiften. Seitdem sucht sie immer wieder nach der Tür. Vielleicht hat sie sich in sich selbst verliebt.
    Ohne es zu wissen, sagte Eva.
    Als wir zurückgingen waren die Arbeiter im Hof der Zuckerfabrik dabei, große Holzplatten auf der Innenseite der Tore anzubringen, so dass Passanten nicht mehr hineinschauen konnten. Die Hunde sprangen ihnen um die Beine, bis ein Fußtritt sie traf.
    Das wird alles abgerissen!, rief die Frau mit der Ziege hinter uns her. Alles!
    Als es dunkel war, aßen Eva und ich Mamaliga in einem Lokal. Alle Tische waren besetzt, große Gesellschaften ließen sich etliche Gerichte auftragen, der Wind von den Ventilatoren spielte in den Haaren der rotlippigen Mädchen an der Bar, die alle kurze schwarze Röcke trugen. Über dem Flaschenregal hinter der Theke lief ein Fernseher. Fast alle Gäste verfolgten die Geschichte im Fernsehen, die sich zwischen stark geschminkten Frauen in kurzen Röcken und jungen Männern abspielte, die große Autos besaßen. Die Schauspieler besuchten Bars und Restaurants, wo sie sich prächtige Speisen auftragen ließen, oder sie stritten sich in fein möblierten Räumen.
    Ab und zu gesellte sich ein Mann zu einem Mädchen an der Bar, sie sahen eine Zeitlang zusammen fern, dann verschwanden sie.
    Ich ging mit Eva durch die dunklen Straßen nach Hause. Das Tor zum Innenhof der Synagoge stand offen, Licht fiel aus der Wohnung der jungen Türhüterin, drinnen lief laut der Fernseher, der Hund lag still an der Kette. Ibi ist noch wach, sagte Eva und zeigte auf ein Fenster im zweiten Stock. Sie kann nicht schlafen. Die Nächte dort oben sind brütend heiß.
    Man hörte die Straßenbahnen von der Piaţa Arenei. Vor einem kleinen Lokal gegenüber dem Tor zum Synagogenhof saßen junge Männer an weißen Plastiktischen mitten auf der Straße. Drinnen flackerte ein Spielautomat, zwei Greise tranken Schnaps aus großen Gläsern und starrten hinaus.
    Das ist meine Straße, sagte Eva wie eine Fremdenführerin, als wir an ihrer Ecke anlangten. Der Club Azur war geschlossen, der kleine Geschäftsmann schlief vielleicht schon, oder er saß bei der weißen Rose in seinem Innenhof und lauschte auf die Stadt. Eva sperrte ihr Tor auf und verschwand in dem dunklen Garten. Ihr Hund bellte.
    Der Mond hing halb und gelb über den leeren Fabriken am Westrand von Arad. Ein Lastwagen hielt mit laufendem Motor am Straßenrand, die Scheinwerfer weiß auf das Grabengestrüpp und eine kleine Bude mit flackernden Lichtgirlanden gerichtet, wo ein Mann Versicherungsbriefe verkaufte. Zwischen den Rädern des Lasters ein riesiger toter Hund, die offen erstarrte Schnauze, die Zahnzacken scharf und grell im Licht meiner Scheinwerfer.
    Die Schafherden schliefen, winzige Hügelländer zwischen der Straße und den langsamen Ölpumpen. Wo hörte die Nachterde auf, wo fing der Nachthimmel an? Das Werk, klein und schwärzer als Erde und Himmel, klammerte sich an diese Grenze. Im Werksblock, dem einsamen Posten zwischen Arad und Turnu mit seinen unaufhaltsam wuchernden Stall- und Schuppenauswürfen, brannte hinter einem Fenster Licht.
    Bitte die Papiere, sagten die Grenzler, blaugesichtig im Licht der Grenzlampen traten sie aus ihrer Wächterbude und suchten nach einem Häkchen für den Argwohn, zu dem sie sich bestellt fühlten.
    Wo sind Sie gewesen?, fragten sie.
    Drüben, sagte ich. In dem anderen Land.

BATTONYA
    An einem heißen windstillen Abend ging ich zu Ferenc und holte Ziegenmilch. Ferenc wohnte am südlichen Rand von Battonya, wo ein Gürtel aus hohem Schilf und Gestrüpp die letzten Häuser von riesigen Feldern trennt, im Sommer raschelt der Wind dort im Mais und in den Sonnenblumen, ein stetes Flüstern, das die Luft erfüllt. Ferenc hielt Ziegen in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher