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Banatsko (German Edition)

Banatsko (German Edition)

Titel: Banatsko (German Edition)
Autoren: Esther Kinsky
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und -gezogen werden mussten. Der Zugführer stieg aus, kommandierte, rief etwas in die Menge, die Passagiere murrten, die meisten verzogen sich zurück auf die Wartebänke.
    Der Zug machte einen großen Bogen durch leeres Sumpf- und Weideland, ein schmaler, hoch aufgeschütteter Gleispfad durch die Auen zwischen dem großen und dem kleinen Fluss, Mures und Aranca, Weiden, Weidicht, rötliches Riedgras. Das Mädchen stand am Fenster und zeigte auf die Dinge, die es sah, sprach sie mit monotoner kleiner Stimme aus, Worte, an denen sie sich festhalten konnte, während die weite Welt an ihr vorüberglitt. Der Zug überquerte den kleinen Fluss und hielt in Halta Aranca, ein Schild, ein Haus, eine Straße, leeres Land mit Schafherden und den kleinen springenden Punkten der Hütehunde.
    Alle mussten aussteigen. Humpelnd kam der Bahnwärter aus seinem Haus und half den Reisenden mit ihren Taschen die Stufen hinab. Er wechselte laute Worte mit dem Zugführer, hob die Hand wie zum Befehl und stieß einen bedeutungslosen Pfiff aus, als der leere Zug mit offenen schlagenden Türen sich wieder in die große Kurve durch die Schwemmwiesen Richtung Mures legte.
    Das Häuflein der Angekommenen zerstreute sich. Manche zerrten Fahrräder aus dem Gebüsch hinter dem Hühnerstall des Bahnwärters, während drei Wachhunde in ihrem verriegelten Geviert scharfzähnig bellten, jeder den Kopf in eine andere Richtung gereckt.
    Die alte Frau mit dem kleinen Mädchen ging die Straße hinunter, immer tiefer in diese von einem leisen Wind umstrichene schwachfarbene Menschenleere unter grauem Himmel, sie wurden immer kleiner, als saugte die Landschaft sie ein. Vielleicht war das ihre Rolle im Schauspiel dieses Landstrichs, zwei Gestalten, an denen sich irgendetwas maß, Zeit, Raum, Licht, so gingen sie von Halta Aranca Richtung Westen, verflossen in dieses ungeliebte Zwischenland, wo niemand sich so recht mit der Grenze zwischen Himmel und Erde auskannte, um dann im Auge eines Betrachters in Periam wieder langsam Gestalt anzunehmen, bis sie den Bahnhof erreichten, das kleine Mädchen seine Frage stellte, sie in den Zug stiegen, der nach Osten fuhr, das kleine Mädchen mit den Namen der verstreuten Dinge, die alte Frau mit ihrem Schweigen diese Welt in ihren Regeln hielten, in Halta Aranca ankamen, und wieder ihren Weg nach Westen antraten.
    Der Bahnwärter sah mich abseits der Gleise stehen und winkte mich herbei. Kommen Sie herein, sagte er, ich mache einen Kaffee.
    Im Haus roch es nach Katzen. Junge Kätzchen spielten in den Küchenecken, Hühner pickten in den Ritzen der Bodenziegel, in einem Fenster im hinteren Teil der Küche stand ein Ausschnitt der Flusslandschaft der Aranca mit Himmel, gefiederten Weidenbäumen und büschligem Sumpfgras wie ein Gemälde.
    In der Wohnstube saß die Mutter des Bahnwärters in einem Sessel. Sie hielt die Augen halb geschlossen, auf der Sessellehne hinter ihr thronte die schwarze Bahnwärterkappe ihres Sohnes. Auf einem Bett in der dunklen Tiefe des Raumes lagen verhedderte Deckenwülste.
    Heute Morgen war Grigore sehr krank, erklärte die alte Frau unter ihren schweren Lidern hervor.
    Grigores Augen glänzten auch jetzt fiebrig, als er den Kaffee servierte, kleine Gläser mit schaumigem Kaffee, so stark, dass der Löffel darin stak.
    Die alte Frau hob die Lider ein wenig, süßte ihren Kaffee, schlürfte leise und langsam.
    Sieh doch nur, diese schönen Decken.
    Sie wies mit der Hand auf einen Stapel bunter Decken, die gefaltet auf einem Stapel am Fenster lagen. Das trübe Licht fiel auf die hellgrünen, roten, blauen, schwarzen Streifen, die dünne Gardine blähte sich im leichten Wind darüber.
    Grigore entfaltete die oberste Decke. In der Mitte der Decke verlief eine dicke Naht zwischen den unterschiedlich gestreiften Hälften, auf einem schmalen Webstuhl gewebt.
    Meine Mutter ist Weberin, erklärte er. Kaufen Sie doch eine Decke. Haben Sie eine Mutter? Kaufen Sie Ihrer Mutter eine Decke!
    Er sprach freundlich und liebenswürdig, ihm lag das Wohl meiner Mutter am Herzen. Seine Mutter griff mit ihrer trockenen kleinen Hand nach meinem Arm.
    Ich habe diese schönen Decken gewebt, sagte sie eindringlich, dort habe ich gesessen und hinausgeschaut, in dieses Nichts von einem Land, und ich habe meine Maramureser Decken gewebt.
    Ich suchte eine Decke aus.
    Soll Ihre Mutter nie frieren!, rief Grigore.
    Seine Mutter zog eine Pappschachtel unter dem Deckenstapel hervor.
    Ich zeige dir etwas, sagte sie.
    Sie leerte
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