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Banatsko (German Edition)

Banatsko (German Edition)

Titel: Banatsko (German Edition)
Autoren: Esther Kinsky
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Bier, es donnerte, der Vorhang blähte sich in heftigen Windstößen. Attila kam auf dem Fahrrad, wir standen zu dritt in dem kleinen Raum zwischen den Eingangstüren mit dem Stromkasten und dem glänzenden schwarzen, goldschimmernd beschrifteten Schild: ›Rauchen gestattet‹.
    Heute hat meine Ziege zwei Junge bekommen, sagte Attila.
    Ah, zu Weihnachten gibt es Ziegenbraten, sagte Józsi. Aus der Kneipe gegenüber schlug laute Musik herüber, der Wind verhedderte sich in den bunten Plastikschnüren des Kneipenvorhangs, über den Himmel zogen die Wellen fernen Wetterleuchtens.
    Keiner kommt, sagte Józsi in unser kleines Dreierschweigen. Wir fangen jetzt an.
    Attila und ich saßen in der ersten Reihe auf dem Balkon.
    Der Film begann. Berge, Esel, Eisenbahnen und Musik.
    Draußen rauschte jetzt der Regen, klatschte gegen die Fenster im Treppenhaus. Die Stirnwand des Kinos war ganz erfüllt von dem Bild, über dreihundert leere Sitze mit dem milbigen Muff dunkler Jahre flossen die bunten Schatten und weckten das Dunkel auf.
    Der Donner krachte nah, der Strom fiel aus, es wurde finster, dann fing der Film wieder an, sechs, sieben, acht Mal, als wäre es ein Kampf der bunten Gestalten einer fernen Gegend, vorzuführen, was sie vorzuführen hatten, um zu guter Letzt unter den verschlafenen Gespenstern anderer Filme hier Platz nehmen und hausen zu dürfen.
    Schließlich blieb es dunkel. Józsi kam mit einer Taschenlampe. Wir hören jetzt auf, sagte er.
    Wir stolperten die Treppe hinunter, standen wieder an der Tür, draußen wehte der Regen hin und her wie ein Vorhang, das Wasser sprudelte über die Straße, Schnipsel, Stöckchen, Lospapiere tanzten auf den Strudeln.
    Vielleicht ist das der Film, in dem wir jetzt sein müssen, sagte Attila. Im Regen, im Donner, im leeren Kino, wir wissen es nur nicht.
    In einem Film, in dem der Film nicht läuft, sagte Józsi.
    In der Kneipe gegenüber gingen die Lichter wieder an, die Musik klirrte auf, beim nächsten Blitz und Donnerschlag war alles wieder dunkel und stumm. Nur das verstörte Grölen der Gäste drang durch die nassen wehenden Vorhangschnüre.
    Ich fahre heim, sagte Attila und holte sein Fahrrad aus dem Foyer. Ich muss nach meinen Zicklein sehen.
    Er fuhr in den Regen und verfloss schnell mit der Finsternis.
    Józsi und ich gingen in verschiedene Richtungen davon. In meiner Tasche lag der Kinoschlüssel, ein hartes Stückchen Schalheit, das sich immer wieder bitter zwischen meine Finger verirrte, das, was von einem ungefeierten Fest geblieben war. Die Straßenlaternen flackerten kurz auf, ich drehte mich um, Józsi winkte aus der Ferne.
    Hinter den Fenstern der Kneipe hörte ich die Musik des Akkordeonspielers. Die Tür ging auf, ein Schwall feuchter Wärme strömte hinaus, Biergeruch, die langen Töne der Kreiselmelodie, das trunkene Stampfen vieler Füße, das große Summen aus vielen Kehlen.
    Zoran stand in der Tür. Komm doch herein, sagte er, du bist ganz nass.
    Heute schenke ich dir einen Schnaps, rief die Frau an der Theke, und fremde warme Hände klopften mir auf die Schultern.
    Ein riesiges Gewitter!, sagte Zoran, trinken wir auf das riesige Gewitter! Er lachte schief der Kneipenwirtin zu, die mir ein kleines Glas über die Theke reichte.
    Fremde Hände schoben und zogen mich in den stampfenden Kreis, legten sich um meine Hüften, rissen mich bald in die eine, bald in die andere Richtung. Manchmal schlief der Tanz unter langsam versickernden Tönen fast ein, und die Menge war schon dabei zu einem schweiß- und regenfeuchten Haufen zusammenzusacken, dann lebte sie wieder auf, wenn der Akkordeonspieler mit plötzlicher Entschlossenheit aufs Neue kräftig in die Tasten griff, kleine unvertraute Schlenker in die Melodie einflocht, die Füße Halt im veränderten Takt suchten. Irgendwann aber löste sich der Kreis, die Tanzenden stolperten erst an die Theke, dann hinaus in die dampfende Nacht, aus der das Gewitter abgezogen war, der Akkordeonspieler presste die letzten kleinen Triller hinaus, die sich zu keinem Tanz mehr eigneten, störrische schräge Seufzer und Anläufe, die sich schnell in dunkle Winkel verzogen.
    Die Wirtin sammelte die Gläser und Flaschen ein, der Wirt fegte aus. Ich saß auf einem Stuhl und war schwer wie Erde und Blei, versuchte mich auf die Richtung zu besinnen, die ich draußen vor der Tür würde einschlagen müssen.
    Komm, sagte der Akkordeonspieler, wir gehen.
    Wir traten hinaus auf die Treppe vor der Kneipentür. Die Wirtsleute
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