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Banatsko (German Edition)

Banatsko (German Edition)

Titel: Banatsko (German Edition)
Autoren: Esther Kinsky
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einem Stall, stille und schickalsgefügige Tiere, die wenig von der Welt draußen erlebten. Am Abend melkte seine Frau die Ziegen, halbnackt stand sie vor der erhöhten Melkwanne, die Ziegen setzten gehorsam die Hufe in die Rinnen neben der Vertiefung, um sich vor dem Melken den Euter waschen zu lassen. Ferenc lud mich ein, am Tisch im Hof Platz zu nehmen, bis die Milch abgefüllt war. Es dämmerte, der Lindenduft von der Hauptstraße wehte klebrigsüß und schwer in der schwülen violetten Luft bis in den Ziegenhof. Neben dem Tisch verlief ein Weinspalier, dicke blaue Trauben aus Kunststoff waren darin befestigt, und die grünen Büschelchen der wachsenden Trauben rankten sich um diese Fremdlinge. Eine Schar kleiner schwarzer Hunde kläffte und sprang mir scharfzähnig um die Knöchel. Ferenc’ schwachsinnige Tochter sammelte die Welpen in den Arm und drückte sie an ihre rosa Bluse, so drängte sie sich in eine Ecke, die schon voller Dämmer war, das Rosa ihrer Bluse leuchtete, und ihre Augen saßen ganz dunkel in dem weißen großen Gesicht. Ihr magerer Bruder mit einem schwarzen Muttermal an der Lippe und den gleichen schwarzbrandigen Augen hatte einen Schrotthaufen im hinteren Teil des Hofes erklommen, er stand da in linkischer Herrschaftlichkeit, und seine Halbwüchsigenarme zuckten, als dirigierte er die kleine Schau im elterlichen Hof, die melkende Mutter, die welpenbergende Schwester, den plaudernden Vater.
    Morgen zeigen wir einen Film im Kino, sagte ich in Ferenc’ Plauderfluss hinein, ganz zusammenhanglos, ich konnte seinen Reden nie folgen.
    Er schwieg und sah mich an, auch seine Augen staken tiefdunkel und fremd in dem bleichen jovialen und gleichzeitig gemarterten Gesicht.
    Aber da müsst ihr Reklame machen!, rief Ferenc. Reklame, Reklame und nochmals Reklame!
    Die Ziegen waren gemolken. Ferenc’ Frau zog sich einen Kittel über die Unterwäsche, und ihre Leibeswülste verschwanden darunter. Der Junge stürzte mit riesigen Schlenkerschritten von seinem Schrotthügel der Mutter nach in die Milchküche, wo die Milch abgefüllt und der Käse angesetzt wurde. Kurz darauf brachte er meine Flasche heraus. Das Mädchen war nur noch ein unförmiger weißlicher Fleck in der sinkenden Dunkelheit, ihr Gesicht und die aller Rosigkeit entblasste Bluse verschmolzen zu etwas Unerkennbarem, leicht Bebendem vor der Hauswand, die Welpen hatten sich ihr entwunden und kläfften mir wieder um die Füße.
    Ferenc öffnete das Tor zur Straße. Der Himmel nach Süden war finster.
    Innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden gibt es ein riesiges Gewitter, sagte Ferenc.
    Am nächsten Tag war die Luft vor Hitze grau. Die Lindenblätter hingen schlaff herab. An jedem Baum klebte ein Zettel, der den Film ankündigte. Der Nachmittag war still und leer wie jeder Samstagnachmittag in Battonya. Ein Wind erhob sich, jagte Staub, Schokoladenstaniol, Lospapiere zu kleinen wirbelnden Trichtern, die in sich zusammensackten, wenn der Wind verstrich.
    Józsi hatte die Fahrradwerkstatt geschlossen, er saß im Vorführraum, umgeben von einer stillen Landschaft aus Geräteteilen. Er war der schwitzende, bloßbäuchige König der Projektoren, Objektive und Lampen, der Spulendirigent und Bilderherrscher. Auf der großen glatten Stirnwand zitterten die ersten schiefen Bilder, die Musik dröhnte, und bunte Fetzchen Leidenschaft, die den Bildern rasch entwichen waren, flatterten zwischen den Sesseln, Lampen, Wandverzierungen umher.
    Draußen fuhr der Wind in den Walnussbaum. Die Sonne war ein grelles weißes Band am unteren Rand der Wolken. Vor dem geschlossenen Zeitungskiosk an der Kreuzung lehnten sich junge Männer an ihre Autos und zerhackten die Klänge aus den Autoradios mit ihren Rufen. Jemand fuhr davon, ein anderer kam an, die Frösche sangen im Schilf, der Wind bewegte die leere Kinderschaukel auf der Auwiese.
    Paare glitten durch den beginnenden Abend, die süßklebrige Lindenluft, die Windstöße, den fernen Donner, die Mädchen saßen artig auf der Fahrradstange des Liebsten, so segelten sie ihren Vergnügungen entgegen. Es war noch nicht spät, aber das Gewittergewölk schluckte das Licht, und in den Kneipen brannten schon die Lampen, ihr Schein fiel auf den Schotter vor der Tür, auf die kleinen unwetternervösen Gruppen, die halb drinnen, halb draußen der Nacht auflauerten.
    Der Sonnenuntergang war nur ein schmutzigbrauner Streifen am Horizont, hinter dem Bahnhof.
    Das Kino war bereit. Józsi wartete in der Tür, trank ein
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