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Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)

Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)

Titel: Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
Autoren: Philipp Mattheis
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Leute an. Die Dichte von Dreadlockträgern ist hier wahrscheinlich höher als sonst irgendwo auf der Welt. Jeder Zweite hat etwas Verfilztes auf dem Kopf. Bei manchen handelt es sich um drei Würste, jede dick wie ein Unterarm, deren Gewicht zum Verlust der vorderen Stirnhaare führte. Andere haben Hunderte kleiner Strähnen auf dem Kopf.
    Dort, wo die Straße beginnt, sitzen kleine Thais auf Plastikhockern und flechten großen Schwedinnen und Schweizern, die ebenfalls auf kleinen Plastikhockern sitzen, Zöpfe ins Haar – eine Haartracht, die in den Top Ten der «dümmsten Frisuren der Welt» weit oben rangiert. Manche der Dreadlockflechter sehen ausgemergelt aus wie Fakire. Ihre Haut ist tiefbraun, gegerbt von Sonne, Meer und Wind. Ihre Augen leuchten charismatisch und gefährlich zugleich, als hätten sie Hölle und Himmel gesehen. Wahrscheinlich aber haben sie einfach schon lange keinen Sport mehr gemacht und etwas anderes als Reis mit Gemüse gegessen. Viele tragen bunte, sackartige Gewänder, die sie auf Einheimischenmärkten in Nordthailand oder Indien gekauft haben. Die Kleider sagen: «Seht her, mein Träger kennt mehr als diese eine Straße Bangkoks, er kennt die große weite Welt!» Manche haben nicht mal Sandalen an den Füßen, sondern latschen barfuß über den Asphalt, auf dem immer wieder Glasscherben, Reste von thailändischen Nudelgerichten und Plastiktüten liegen. Es sind Strandmenschen, die für den Strand gemacht, aber in der Stadt gestrandet sind. Sie reisen bald weiter, zurück ans Meer, um tagelang nichts zu tun und ihre Jonglierkünste zu perfektionieren. Dort brauchen sie nichts weiter als ein paar Euro täglich für eine Matratze, Reis und Bier.
    Gruppen von Jungs tragen Cargo-Hosen und T-Shirts, auf die Labels lokaler Biermarken aufgedruckt sind. Ihre Haut glänzt von der schwülen Luft. Sie haben Glatzen oder lustige Locken, sie lachen und trinken viel. Sie sind ebenso nett wie offen. Sie scheinen zu denken: Alle Menschen, und seien sie noch so verschieden, mögen Bier. Die Verschiedenheit der Welt ist eingedampft auf die Verschiedenheit der Biermarken. Das T-Shirt sagt: «Wir verstehen uns mit jedem, egal aus welchem Land er kommt. Mit jedem, der auf dieselbe Art Spaß haben will wie wir.» Sie schwärmen von Laos, wo sie sich in einem Lkw-Reifen, eine Flasche Bier in der Hand, im Mekong treiben ließen, und von Vietnam, wo sie durch die Tunnel des Vietcong gerobbt sind.
    Selten, aber doch hin und wieder, laufen Menschen an mir vorbei, die wie Indiana Jones gekleidet sind. Ihre Gesichter sind ernst, als erforschten sie gerade ein von der Zivilisation vergessenes Land, in dem zahlreiche Gefahren in Form von wilden Tieren und gerissenen Eingeborenen auf sie lauern. Um sich dagegen zu rüsten, tragen sie beigefarbene Tarnkleidung mit 157 Taschen und Geheimfächern. Um ihre Hüfte baumelt eine Wasserflasche, ihren Rucksack tragen sie nicht auf dem Rücken, sondern vor der Brust, um sicherzugehen, dass niemand heimlich ein Geheimfach öffnet und etwas klaut.
    Drei winzige japanische Mädchen ziehen mit Hartschalenkoffern und Gucci-Sonnenbrillen vorüber. Einer ihrer Landsleute wird von einem Schweden gefragt, warum er ein T-Shirt trägt, auf dem ein Hakenkreuz prangt. Der Japaner lächelt nur und geht weiter.
    «Die Japaner sind die Verrücktesten», sagt Vlad. «Die grinsen immer nur und können kein Wort Englisch. Dann kommen die Israelis. Die sind alle traumatisiert von ihrem Militärdienst und haben nur Feiern im Kopf. Außerdem treten sie nur in Gruppen auf. Die Skandinavier sehen am besten aus. Die Engländer saufen am meisten. Die Deutschen wollen immer alles richtig machen, damit sie niemand als Nazis beschimpft.»
    Er beißt tatsächlich noch einmal in das Sandwich, das seit einer Stunde angeknabbert vor ihm liegt, und erzählt eine Geschichte aus einem japanischen Bordell. Er redet von früher, vom Anfang der neunziger Jahre, als er zum ersten Mal hierherkam. Veteranengeschichten, die immer klingen, als sei das «Früher» ein eigenes Land, das heute hermetisch von der Gegenwart abgeriegelt und unbereisbar ist. Als hätte der Erzähler das Privileg, an einem Ort gewesen zu sein, an den ihm niemand mehr nachfolgen kann.
    1982 gab es nur zwei Hostels auf der Khaosan Road, Bretterbuden, in denen die Übernachtung nicht mehr als zwei Dollar kostete. Dreimal täglich Pad Thai, ein Nudelgericht, für denselben Betrag in einer der Garküchen gegenüber. Dann – Bangkok feiert seinen 200.
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