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Banalverkehr - Roman

Banalverkehr - Roman

Titel: Banalverkehr - Roman
Autoren: Heyne
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lassen. Außerdem bekomme ich langsam Hunger. Wollen wir die Details von Timmys Taufe nicht lieber in einem netten Restaurant besprechen?«
    »Ja, Mutti.«
    Roy findet die Idee auch »schön, schön«, und damit steht der Masterplan. Als das Gefolge mein Zimmer verlässt, höre ich noch, wie Roy zu Edo sagt. »Jetzt bist du also Vater.« Was Edo darauf entgegnet, fühlt sich an, als würde man direkt neben das halb abgeheilte, halb eitrige Brandmal ein Tattoo in den Kuhhintern stechen: »Ja, muss ja.« Jetzt steht da tatsächlich Du glaubst doch nicht etwa im Ernst, dass wir wirklich immer noch zusammen wären, wenn du nicht schwanger wärst!? Ja, muss ja.
    Plötzlich frage ich mich, wie die Kuh in ein paar Jahren aussehen soll. Zutätowiert mit ehrlich gemeinten Unverschämtheiten für all die Jahre, die Edo eigentlich wo- und mit jemand und grundsätzlich anders verbringen wollte. Du hast mein Leben ruiniert , wäre da wahrscheinlich noch das Dekorativste. Und ich frage mich, ob Edo, wenn Timmy ihn irgendwann mal fragt, ob er ihn liebhat, auch sagt: »Ja, muss ja«. Oder ob er es nur denkt und ob das nicht schon schlimm genug wäre.
    Ich bin gebranntmarkt.
    Und es gibt wahrscheinlich nur eine Möglichkeit, das alles wieder loszuwerden. Tattoo-Laserentfernung. Alles weg. Bis die Haut an meinem Hintern wieder rosarot ist, vielleicht dünner und empfindlicher als zuvor, aber zumindest wieder frei. Ich glaube, ich habe gerade entschieden, wie es weitergehen soll. Das Einzige, was mich jetzt noch daran hindern könnte, meinen Entschluss in die Tat umzusetzen, bin ich selbst. Oh Gott. Dieses Wehenzeug scheint einem echt die Lichter anzuknipsen. Ist ja ekelhaft.
    Lieber Timmy,
    es ist jetzt kurz vor zwei in der Nacht, du bist genau 13 Stunden und irgendwas mit vier Minuten alt, und ich denke, es ist nur fair, dass du von vornherein weißt, mit wem du es hier zu tun hast. Ich bin eine ziemliche Kuh, Timmy, ich war die meiste Zeit sehr egoistisch, und ich kann nur hoffen, du fragst nicht allzu bald nach, wie du entstanden bist. Aber eigentlich ist das alles jetzt auch egal, denn nun bist du da und du wirst dieses Leben rocken. Ich kann dir zwar nicht viel Schlaues darüber erzählen, leider, und ich schätze, ich werde uns hin und wieder auch mal kräftig in die Scheiße reiten, weil ich einfach nicht anders kann. Aber, Timmy, wir reiten auch wieder raus. Versprochen. Ich werde dich unterstützen und für dich da sein. Immer.
    Wenn du alt genug bist, um diesen Brief zu lesen, wirst du mich vielleicht fragen, warum ich ihn geschrieben habe. Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Vielleicht einfach nur, um dir zu sagen, dass ich dich vom ersten Moment an geliebt habe. Wenn du bloß ein bisschen nach mir kommst, wird dir dann vermutlich gleich mal das Mittagessen hochkommen. Macht nichts.
    Ich liebe dich trotzdem.
    Deine Mama.
    PS: Etwas Schlaues kann ich dir doch noch mit auf den Weg geben: Hüte dich vor Krapfen – die sehen nur so harmlos aus!
    Ein paar Tage später werden wir aus dem Krankenhaus entlassen, und ich bin ziemlich nervös.
    »Puppe?«, fragt Edo kauend, als wir im Auto sitzen und nach Hause fahren. Natürlich schafft er die zwanzig Minuten Weg nicht, ohne sich einen Burger aus einem Drive-in geholt zu haben. Kurz darauf klebt unsere Zukunft wieder wenig attraktiv in seinen Bartstoppeln. Wir sind Soße. Immer noch. Von hinten gluckst Timmy nach Aufmerksamkeit. Es könnte sein, dass er gerade gekackt hat, es müffelt ein bisschen, und sein Gesicht zeigt ein höchst entspanntes, zufriedenes Lächeln. Wenn es nur immer so leicht wäre. Einfach mal ordentlich die Welt zurechtkacken. Während ich ihn so ansehe, denke ich an einen riesigen Tortellini. Und ich muss nicht mal Franzi anrufen, um sie zu fragen, was sie davon halten würde, wenn man ihr beim Italiener einen Teller servierte mit einem einzigen Tortellini in einem See von Soße. Sie würde sagen, das sei auf keinen Fall genug. Auch wenn der Tortellini noch so gut wäre. Ich drehe mich wieder zurück. Die Soße hängt immer noch in kleinen Tröpfchen an Edos Kinn, während er den letzten Bissen bereits runtergeschluckt hat. Es hat einfach keinen Sinn. Ich muss ehrlich sein. Da hatte Edo absolut Recht. Ehrlich zu mir selbst .
    »Puppe, ich hab gefragt, ob irgendwas nicht stimmt.«
    Wenn ich es jetzt nicht mache, dann mache ich es nie. Timmy gluckst. Ich muss ein Vorbild sein. Ist das zu fassen? Ich und ein beschissenes Vorbild!
    Ich schaue zu ihm rüber. »Ja.
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