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Banalverkehr - Roman

Banalverkehr - Roman

Titel: Banalverkehr - Roman
Autoren: Heyne
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aber es passiert nichts. Er steht einfach weiter da und sagt kein Wort. » Das habe ich nicht nötig«, zische ich also hinterher und überlege, wie weit ich gehen könnte. » Wirklich nicht.« Oder wollte. »Niemand muss aus Mitleid mit mir zusammen sein.« Ich starre in Edo hinein. Sein Blick ist hoffentlich nur leer und nicht ignorant.
    »Und nun?«, fragt er und ist sich scheinbar nicht bewusst, dass ich gerade dabei bin, mit ihm Schluss zu machen. Aber bin ich das? Kann ich mich so einfach von ihm trennen? In echt? Oder nur fürs Drama? Was mache ich denn nun bloß? Was will Puppe Stockmann? Auch das wäre eigentlich eine Fernsehsendung wert. Willkommen, verehrte Zuschauer, raten Sie mit. Was? Will? Puppe? Stockmann? Ist es …
    a) Puppe will sich ernsthaft von Edo trennen?
    b) Puppe will Edo bewusst machen, dass sie es ernst meint, ohne es wirklich ernst zu meinen?
    c) Puppe weiß überhaupt nicht, was sie will?
    d) Puppe will mal wieder tot umfallen?
    Edo sieht mich an. Anscheinend fühlt er sich nicht verpflichtet, die Situation in irgendeiner Weise aufzulösen. Es liegt also an mir. A), b), c) oder d). Der Telefonjoker wäre eine Option, aber ich hätte den Weihnachtsmann anrufen wollen, und der ist ja tot. Das Publikum kann ich nicht befragen. Das besteht aus Muschi und einem Haufen schweigsamen Spielzeugs. Dies hier ist allein mein Moment. Also, Puppe: a), b), c) oder d)?
    D) vielleicht?
    Puppe, mit dieser Antwort scheint es Probleme beim Einloggen zu geben. Dein Herz schlägt leider noch. Du lebst. Da musst du jetzt wohl durch. Bleiben also noch a), b) oder c).
    Es ist still.
    Wir brauchen eine Antwort, Puppe. Jetzt!
    »Ich …«
    Puppe, die Sendezeit läuft uns davon. Und wir können heute nicht schon wieder überziehen!
    »Ich …«
    Puppe, wir warten!
    »Ich …«
    Tja, Puppe, das tut uns jetzt leid, deine Zeit ist abgelaufen, und wir müssen die Frage nun an den anderen Kandidaten weitergeben. Also, Edo, was meinst du?
    »Na, dann musst du wohl gehen.« Edo entscheidet sich, nein, er entscheidet mich für a). Für a)! Und dann sagt er: »Ich werde jetzt mal eine rauchen gehen.« So lässt er mich einfach stehen und geht auf den Balkon. Ich schaue ihm hinterher. Das war eindeutig eine Fangfrage, Edo! Die richtige Antwort wäre e) gewesen. E) wie, es tut mir leid. Oder f) wie, fuck, bitte geh nicht, ich liebe dich! Aber du hast a) genommen. A) wie Arschloch ! Meine Augen füllen sich mit Tränen. Durch das Glas der Balkontür sehe ich, wie er kleine Rauchkringel in die abendliche Luft bläst. Kleine Rauchkringel! Als wäre jetzt die Zeit für kleine Rauchkringel! Ich schnaufe, ich bin eine Dampflok, mein Kopf ist ein Kraftwerk, eine unfassbare Wut mein Antrieb. Er hat für mich entschieden! Und er lässt mich hier einfach so stehen! Ich packe Muschi und schiebe sie in ihren Katzenkorb, dann ziehe ich Timmy aus der Pipipfütze. Ich muss hier weg!
    Um 21.37 Uhr an diesem Abend sitze ich im Zug. Auf dem Sitz neben mir steht Muschis Katzenkorb, darauf liegt Timmy und versprüht seinen neuen Duft aus einem Hauch Leberwurstkotze, einer penetranten Frühlingsfrische und noch penetranterem Katzenpipi. Auf meinem Schoß liegt eine riesige Kugel, aus der ab und zu ein kleiner, fester Tritt kommt. Ich habe keinen Edo mehr und kein Zuhause. Nur Muschi, Timmy und diese Kugel. Ich bin so furchtbar müde. In meinem Kopf zieht Ruhe ein. Ruhe oder Ohnmacht, ich weiß es nicht so genau. Ich weiß eigentlich gar nichts mehr. »Vielleicht«, hat er gesagt, »kommt die Liebe eben ein bisschen später. Es wird wohl alles seinen Grund haben. Ich glaube, Gott weiß schon, was er tut.«
    Was für eine unglaublich dämliche Kacke! Waschmaschinenschläuche und Steuererklärungen. Affäre . Vielleicht wären wir wirklich nicht mehr zusammen, wenn ich nicht schwanger geworden wäre. Oder warum sonst hätte ich überhaupt schwanger werden müssen? Mein Brustkorb drückt sich nach innen. Ich habe Schmerzen. Edo hat mich nicht geliebt, nie, nicht eine Sekunde lang. Gut, dass ich gerade einen Hustenanfall bekomme und sämtlichen reflektiven Scheiß aus meinem Körper keuche, bevor ich in Versuchung komme, darüber nachzudenken. Okay, dann war ich womöglich doof, dann wollte ich es eben nicht sehen, und dann sitze ich jetzt halt in der Scheiße, aber ich bin immer noch Puppe! Puppe Stockmann! Und Edo kann mich mal a) wie, am Arsch lecken ! So.
    Um kurz vor Mitternacht stehe ich bei meinen Eltern vor der Tür.
    »Ist was passiert?«,
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