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Banalverkehr - Roman

Banalverkehr - Roman

Titel: Banalverkehr - Roman
Autoren: Heyne
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sich damit nicht zufriedengeben wird. Ich mache nochmal das Walross. »Ich weiß es auch nicht«, sage ich schließlich und das ist seit langem ein Fall von objektiver Wahrheit.
    »Hast du je drüber nachgedacht?«, fragt er.
    »Wenn du mal reden willst, ruf mich an. Dann komm ich und koch was für dich«, sagt er, als wir uns vor dem Friedhofstor verabschieden. »Du musst nur rechtzeitig Bescheid sagen. Ich fahre ja nur Schrittgeschwindigkeit. Nicht, dass du verhungert bist, bis ich komme.« Dann setzt er sich auf seine Harley, und kurz bevor sie mit einem ohrenbetäubenden Löwengebrüll anspringt, sagt er noch: »Ach ja, wegen der Ohrfeige damals …«
    »Ist schon gut«, sage ich.
    Lutz nickt und lächelt. »Und Puppe: der Bauch steht dir echt gut!« Dann brüllt die Harley, und er rollt davon. In Schrittgeschwindigkeit. Ich sehe ihm hinterher und stelle fest, dass er keinen Rucksack mehr trägt.
    Die Frage, die mir Lutz gestellt hat, beschäftigt mich. Sehr. So sehr, dass ich auch den Rest des Tages kaum ein Wort mehr herausbringe und stattdessen weiter vor mich hin schnaufe wie ein Walross. Die Frage war legitim, natürlich, und vielleicht könnte ich sie mir selbst beantworten, für den Hausgebrauch sozusagen, aber ich hätte nicht gedacht, dass mich jemals tatsächlich jemand dazu auffordern würde, darüber zu sprechen. Und wenn, dann hätte ich es wahrscheinlich am ehesten von Edo erwartet. Vielleicht damals, als ich ihm gesagt habe, dass ich schwanger bin.
    Doch Edo stellt keine Fragen mehr. Er trifft Entscheidungen. Zum Beispiel, für welche Wohnung wir den Mietvertrag unterschreiben. Oder dass wir unsere neue Wohnung auch im Loungestil einrichten werden. Dass das kleine Cabrio einem dicken Mittelklassewagen weichen muss, für den wir einen Kredit aufnehmen. Er entscheidet sich dagegen, seine alten Möbel zu putzen, bevor er sie in die neue Wohnung bringen lässt, und somit für eine zehn Zentimeter dicke Staubschicht, in die ich das Wort »Dreck« male. Er entscheidet sich dagegen, das wahrzunehmen, und somit dafür, dass ich sie nach drei Tagen selbst entferne. Ich putze und räume Kartons aus. Sein Geschirr ist ungespült und klebt. Edo entscheidet, dass es nicht schlimm ist, zumal nichts mehr klebt, nachdem ich es stundenlang gespült habe. Edo entscheidet auch, dass es unzumutbar ist, dass Muschi in jede Ecke pinkelt, um ihr neues Revier zu markieren oder ihren Unmut über den Umzug zu äußern und der damit verbundenen Zwangsaussiedelung aus ihrer alten Hood mit den ganzen geilen, alten Katern, mit denen sie gerne um die Häuser gezogen ist. Ich traue mich nicht mehr, etwas zu sagen, weil ich keinen Streit provozieren will. Immerhin bin ich schwanger und soll jede Aufregung vermeiden. Ich klebe an dem Gedanken, dass wir beide auf unsere Art gestresst sind und alles sich legt, sobald die Wohnung eingerichtet und das Baby auf der Welt ist. Ich klebe daran, wie der Dreck an Edos Geschirr, bis ich es hundertmal durch heißes Seifenwasser gezogen hatte. Immerhin lief es bis vor kurzem ja auch wirklich ganz gut. Als das Bett warm war und dem »gute Nacht« sogar ein »ich liebe dich« folgte. Und jetzt befinden wir uns einfach in der Endrunde. In zwei Wochen soll das Baby kommen, und das neue Leben hämmert mit Fäusten gegen die Tür. Es nimmt keine Rücksicht, es wartet nicht und lässt uns kaum Zeit, um durchzuatmen. Da ist es doch nur ganz natürlich, wenn …
    »Wenn ich diese Scheißkatze noch einmal erwische! Guck dir das an, hier!«, brüllt er, nachdem wir eigentlich sicher waren, dass Muschi inzwischen sämtliche Ecken eingeweiht haben muss und die Entdeckung einer neuen, noch warmen Pfütze im Wohnzimmer nun den Schluss zulässt, dass sie noch einmal von vorne beginnt. Ich will ihn beruhigen, nicht nur, weil ich aus Erfahrung weiß, dass man manchmal eben wo hinpinkeln muss, obwohl man das gar nicht so meint.
    »Sie ist halt wie ein Baby. Ist doch nicht schlimm, ich mach es gleich weg.«
    Natürlich entscheidet Edo, dass man eine Katze nicht mit einem Kind vergleichen kann und dass, … in Verbindung mit vielen Schimpfwörtern und Flüchen, … böse Flecken auf dem Parkett zurückbleiben können, wenn eine Katze, … in Verbindung mit vielen Schimpfwörtern und Flüchen, … sich, … in Verbindung mit vielen Schimpfwörtern und Flüchen, … dazu hinreißen lässt, in die Ecken zu …
    »… pissen!«
    Ich packe in Ruhe weiter eine Kiste mit altem Spielzeug von mir aus, die Mama geschickt
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