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Banalverkehr - Roman

Banalverkehr - Roman

Titel: Banalverkehr - Roman
Autoren: Heyne
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selten, verehrte Zuschauer, eine ehemalige Kandidatin bekommt nochmal eine zweite Chance.
    »Du hast mir richtig dolle wehgetan, Edo!«
    A)? Oder? B)?
    »Das war irgendwie ein Missverständnis.«
    »Bitte, Edo, überdenke nochmal die Formulierung: war es a) ein Missverständnis oder b) nicht deine Absicht ?«
    »Was soll das mit dem a) oder b)?«
    »Lenk’ jetzt bitte nicht ab, das ist wichtig für mich.«
    Er sieht mich an, als wäre ich irre. »Na ja, beides halt so.«
    »Nein, das geht nicht! Du kannst nicht beides einloggen.«
    »Komm einfach mit, bitte, Puppe.«
    Er hat dieses kleine »bitte« gesagt, und ich möchte mir einbilden, er bettele nun darum, dass ich mit ihm nach Hause komme, aber es reicht noch nicht. Ich will mehr. Das habe ich mir verdient. Also reagiere ich erst mal gar nicht und starre in die Luft.
    »Bitte«, sagt er schließlich nochmal, und irgendwie habe ich das Gefühl, dass das alles ist, was ich von Edo jemals kriegen würde. Er kommt schließlich immer noch aus dem Norden, daran hat sich ja nichts geändert. Ich sehe ihn an und entscheide mich rückwirkend dann wohl für b): Puppe will Edo bewusst machen, dass sie es ernst meint, ohne es wirklich ernst zu meinen , als ich »Okay« sage.
    »Du musst nicht mitgehen«, flüstert Mama, als ich mich von ihr verabschiede, und hat im Geiste sowieso schon die Abrissbirne bestellt, die sich um Edos überlebensgroße Bronzefigur auf dem Marktplatz kümmern soll.
    »Ich weiß«, sage ich und halte sie zum Abschied noch einmal ganz fest. Ich will immer noch daran glauben, dass Edo und ich es doch irgendwie schaffen könnten. Es ist wie eine Krankheit. Mama winkt uns hinterher, und ich glaube, sie weint schon wieder.
    Die ersten sechzig oder siebzig Kilometer verbringen wir schweigend, und ich wünschte, Edo würde irgendwas sagen wie: Die letzten Tage ohne dich waren der Horror. Ich habe nur geheult, aus Angst, dich zu verlieren. Das wäre jetzt wirklich schön. Aber er sagt: »Versprich mir nur eins: Wir sind ab jetzt ehrlich zueinander, okay? Wir sollten nicht so tun, als wäre das zwischen uns etwas ganz Großes. Wir sind da irgendwie so reingerutscht in die Sache, und nun machen wir halt das Beste daraus.«
    Kawumm! Und damit fliegt meine imaginäre Faust in sein Gesicht, er verliert die Kontrolle über das Auto, wir landen erst im Straßengraben und dann auf der Intensivstation.
    »Wie bitte?«, frage ich einigermaßen verständlich trotz schwerster innerer Blutungen.
    »Nein, Puppe, das ist mein Ernst. Wir werden ein gutes Leben haben zusammen, aber bitte hör auf mit diesem rosaroten Alles-ist-so-wunderbar -Scheiß.«
    »Macht es dir eigentlich Spaß, mich kaputtzumachen, Edo?«
    »Nein, genau das meine ich ja. Wir dürfen uns nicht gegenseitig kaputtmachen, wir müssen das zusammen durchstehen. Aber das geht nicht, wenn wir nicht ehrlich zueinander sind.«
    »Dann sei ehrlich und sag mir, warum du mich überhaupt zurückgeholt hast«, sage ich und klinge dabei ziemlich erbärmlich.
    »Weil wir jetzt einfach zusammengehören. Egal, warum.« Ich weiß nicht, was ich mit diesem Satz anfangen soll. Einerseits ist es doch das, was ich mir gewünscht habe: dass Edo und ich zusammengehören, andererseits klingt es irgendwie wie die Aussicht auf ein ziemlich beschissenes Leben.
    »Sollen wir bei McDonalds halten? Ich hab Bock auf Burger«, sagt er schließlich, aber ich kann nicht antworten. Hirn-Püree.
    Im nächsten Moment stopft er sich schmatzend seinen Burger rein, dass Soßenreste in seinem Bart kleben bleiben. Soße. Das könnte also meine Zukunft sein. O Mann.
    Die nächsten zwei Wochen vergehen. Wir streiten nicht, es ist sogar ziemlich okay. Edo hämmert die Möbel fürs Kinderzimmer zusammen und ich sitze mit meinem Gummihammer daneben und treibe ihn an. Manchmal frage ich mich auch, wie es weitergehen wird, aber dann haue ich mir selbst den Gummihammer auf den Schädel, und wenn er dann quietscht (der Hammer, nicht der Schädel natürlich), sind die sinnlosen Gedanken weg. Ich will einfach erst mal abwarten. Immerhin sind sich die schwachsinnigen Frauenratgeber ja einig, dass eine Geburt immer einen Wendepunkt bedeutet. Also soll die Geburt es wenden. In welche Richtung auch immer.
    Und dann legt man mir am 7. August nach zwölf Stunden Wehen Timmy auf den verschwitzten Körper. Er ist nur ein kleiner Glatzkopf mit großen blauen Augen, irgendwie komisch, wie ein Wesen aus einer anderen Welt, und trotzdem erkennen wir einander sofort:
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