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Ballsaison: Palinskis siebter Fall

Ballsaison: Palinskis siebter Fall

Titel: Ballsaison: Palinskis siebter Fall
Autoren: Pierre Emme
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Nachspielzeit ist übrigens inzwischen …«
    Aus dem Einkaufszentrum kam eine maskulin anmutende Frau gelaufen, die etwas in der Hand hielt und damit hinter sich deutete. Auf, Palinski glaubte seinen Augen nicht trauen zu können, seinen Sohn Harry, der ebenfalls aus dem Konsumtempel stürmte.
    Als das Ding in der Hand der Frau plötzlich Bumm machte, erkannte er, dass es sich dabei um eine Pistole handeln musste. Oder einen Revolver. Nach so vielen Jahren kriminalistischer Tätigkeit war es eigentlich eine Schande, dass Palinski den Unterschied noch immer nicht kannte. Aber so war es nun einmal.
    »… hat sich den Ball zurechtgelegt und schreitet selbst zur Exekution des Strafstoßes«, tönte es martialisch aus dem Lautsprecher, doch das war im Moment nicht wichtig.
    Palinski war schon aus dem Wagen gesprungen und stürmte auf das böse Weib los, das die Impertinenz besaß, auf seinen Sohn zu ballern.

     
    * * *
    Da kein Taxi aufzutreiben gewesen war, hatten sich Wilma und Marianne der öffentlichen Verkehrsmittel bedient. Bis zum Schottenring war es etwas zäh hergegangen, da der 37er an Sonntagen nur in relativ langen Intervallen verkehrte. Vom Schottentor weg ging es dann aber sehr rasch mit der ausgebauten U 2, die die beiden Frauen direkt zum Ernst-Happel-Stadion brachte. Das war wirklich eine tolle Verbindung.
    Sie kamen eben aus der Station ins Freie, als sich mehrere Dinge auf einmal abspielten. Da war einmal Wilmas Sohn Harry, der einem scheinbar weiblichen Wesen nachrannte, das wie ein als Frau verkleideter Mann aussah, und von diesem mit einer Pistole beschossen wurde. Einer Glock 26/9 mm, wenn sie sich auf diese Entfernung nicht irrte. Aber sie irrte sich nicht. Seit Palinski sich so intensiv mit dem Verbrechen befasste, kannte sich Wilma mit solchen Dingen aus.
    Dann war da auch Anselm Wiegele, der hinter Harry herlief und gleichzeitig versuchte, eine kleine Handfeuerwaffe aus dem am Unterschenkel befestigten Halfter zu ziehen. Das Ganze sah irgendwie komisch aus, wie eine Art verunglückter Hüpftanz aus dem Voralpengebiet.
    Inzwischen waren auch Florian Nowotny und – Wilma glaubte, ihren Augen nicht trauen zu können – Miki Schneckenburger am Rande der Bildfläche erschienen und taxierten ihre Möglichkeiten, sich sinnvoll in das Geschehen einzubringen. Sie hatte den Ministerialrat noch nie zuvor derart atemlos und derangiert, gleichzeitig aber engagiert und angriffslustig erlebt wie jetzt.
    Last, but not least war da auch noch, wie könnte es auch anders sein, ihr Mario, der, von der anderen Seite kommend, auf das wilde Weib losstürmte und damit riskierte, ebenfalls beschossen zu werden. Erstaunlich, wie rasch er sich trotz seines Alters und der mindestens …, na ja, seines Übergewichts bewegte, wenn nur der Adrenalinstoß stimmte. Aber für seinen Sohn nahm er alles auf sich, wusste Wilma. Bei dem Gedanken wurde ihr ganz warm ums Herz. Was Palinski aber damit erreichen wollte, war ihr nicht ganz klar. Wollte er die Frau einfach niederrennen?
    In diesem Moment zog der Euroflyer eine letzte Runde über dem Gelände und bog dann Richtung Süden ab. Sicher, um das in einer knappen Stunde in Klagenfurt beginnende 2. Gruppenspiel ebenso gut zu beschützen wie das in Wien.
    Die seltsame Frau blieb, offenbar irritiert durch den sukzessive weniger gewordenen Fluglärm, stehen und blickte zum Himmel. Diese Gelegenheit wollte wieder Florian Nowotny nützen. Er lief einfach auf die komische Frau zu und rief aus Leibeskräften: »Gnädige Frau, gnädige Frau, Sie haben etwas verloren !« Dazu winkte er mit irgendetwas, das er in der linken Hand hielt.

     
    * * *

     
    Johann Friedrich Kehl, der sich in Damenkleidung überraschend wohl fühlte und vor allem von der fehlenden Enge zu knapp sitzender Hosen begeistert war, blieb plötzlich stehen und blickte nach oben. Was machte er eigentlich hier? Er hatte seinen Vater umgebracht, diesen Men…, dieses Monster, das ihn jahrelang schikaniert hatte. Und jetzt, wo er endlich Ruhe, ein eigenes Profil gefunden haben könnte, rannte er davon. Noch dazu derart verkleidet, dass kein Mensch hatte erkennen können, wem die Welt die Befreiung von diesem exemplarischen Egomanen und Blutsauger Kehl zu verdanken hatte. War davonlaufen, sich verstecken und verleugnen wirklich das, was er jetzt eigentlich wollte? Oder hatte er nicht die einmalige Chance, die alleinige Verantwortung für eine gewaltige Sache zu übernehmen? Das erste Mal in seinem immerhin schon im 38.
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