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Ballard, James G.

Ballard, James G.

Titel: Ballard, James G.
Autoren: Welt in Flammen
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um die gleiche Zeit kauen die Hälfte der normalen
Breite und war nur noch ein übelriechendes Rinnsal zwischen hohen
Uferböschungen.
    Neben dem Treibstoffdepot erstreckte
sich das weitläufige Jachtbassin, vor dessen Ausfahrt der Kahn der beiden
Quilters – Mutter und Sohn – verankert lag. Lomax hatte ihnen das Boot damals
an der Pier übergeben und war so großzügig gewesen, auch noch einen Liter
Dieselöl zu spendieren, der knapp für die fünfzig Meter bis zur Einfahrt des
Beckens reichte. Da die Quilters dort selbstverständlich abgewiesen worden
waren, hatten sie das Boot außerhalb des Beckens verankert; hier saß Mrs.
Quilter den ganzen Tag über auf dem Oberdeck, hüllte sich trotz der Hitze in
einen riesigen schwarzen Schal und beobachtete die Leute, die mit Wassereimern
an den Fluß gingen. Sie schien ihren Lieblingsplatz nicht verlassen zu haben,
seit Ransom vor einigen Tagen abgefahren war, denn sie hockte auch bei seiner
Rückkehr in dem gleichen alten Sessel, von dem aus sie die Wochenendsegler
angefeuert hatte, die sich bemühten, die Einfahrt des Jachtbeckens mit
Zementsäcken zu schließen. Selbst bei hohem Wasserstand war das halbrunde
Becken kaum ausreichend mit Wasser gefüllt; jetzt herrschte dort völlige Ebbe,
denn auch das verbliebene Wasser war in den Fluß abgelaufen, so daß die
eleganten Boote im Schlamm festsaßen. Nur Mrs. Quilter wachte noch wie eine
Hexe über den Jachten, die von ihren Eigentümern längst aufgegeben waren.
    Ransom mochte die Alte gern und
bewunderte sie sogar, obwohl sie tatsächlich wie eine Hexe aussah und einen
schwachsinnigen Sohn hatte. Im Winter war er oft bei ihr zu Gast gewesen, hatte
mit ihr eine mitgebrachte Flasche Gin in der beklemmend engen und unglaublich
schmutzigen Kabine geleert und amüsiert zugehört, was Mrs. Quilter über die
Schlechtigkeit der Welt im allgemeinen zu sagen hatte. Er erinnerte sich noch
gut an den ersten Besuch, der damit geendet hatte, daß Quilter ihn bei
strömendem Regen über den Fluß zurückruderte, wobei das ohnehin lecke Boot des
Jungen fast vollgeschlagen wäre.
    Regen! Ransom versuchte sich ins
Gedächtnis zurückzurufen, was dieses Wort einmal bedeutet hatte und sah dabei
zum Himmel auf. Die Sonne hing wie eine glühende Kugel über ihm, deren
unerträglicher Glanz weder durch Wolken noch durch Wasserdampfschleier
gemildert wurde. Die ausgetrockneten Felder und Wiesen an beiden Ufern des
Flusses lagen unter dem gleichen unbarmherzig strahlenden Licht wie unter einer
riesigen Hitzeglocke, die alles zur Bewegungslosigkeit erstarren ließ.
    Ransom hatte vor Wochen einige Stäbe
ins Wasser unterhalb der Brücke gesteckt, aber der Wasserspiegel sank so rasch,
daß jede Berechnung überflüssig war. Der Fluß war in den vergangenen bei
Monaten fast sieben Meter gefallen, und Ransom schätzte, daß er jetzt nur noch
ein Viertel der früheren Wassermenge führte. Während der Fluß zu einem
seichten, träg dahinfließenden Rinnsal wurde, schien er alles zu sich
heranzuziehen, und die beiden Ufer glichen immer mehr gegenüberliegenden
Klippen. Dieser Eindruck wurde durch die auf der Spitze stehenden Zelte
zwischen den Kaminen vieler Häuser am Ufer verstärkt; die Leinwandbehälter
waren ursprünglich als Regenfallen gedacht gewesen – allerdings hatten sie
diesen Zweck nie erfüllt – und waren jetzt zu hoch angebrachten Staubfängern
geworden, die ihren Inhalt der Sonne wie Opfergaben darboten.
    Ransom überquerte das Deck seines
Hausbootes und blieb am Steuer stehen. Er winkte Quilter zu, der ihn mit einem
geistesabwesenden Lächeln beobachtete. Hinter Quilter drehten sich getrocknete
Fische an Leinen, die zwischen den Bootshäusern ausgespannt waren.
    »Sag deiner Mutter, sie soll den Kahn
losmachen und ihn weiter in die Fahrrinne schieben«, rief er Quilter zu. »Der
Fluß fällt noch immer.«
    Quilter reagierte jedoch nicht,
sondern zeigte ironisch grinsend lauf die verschwommenen weißen Umrisse, die
sich langsam unter der Wasseroberfläche bewegten.
    »Wolken«, sagte er.
    »Was?«
    »Wolken«, wiederholte Quilter mit dem
gleichen Grinsen. »Voll Wasser, Doktor.«
    Ransom ging langsam in die Kabine und
schüttelte dabei den Kopf über Quilters bizarren Sinn für Humor; er war sich
allerdings darüber im klaren, daß der junge Mann trotz seines deformierten
Schädels und seines merkwürdigen Aussehens nicht unbedingt dumm oder geistig
beschränkt war. Das verträumte ironische Lächeln schien gelegentlich sogar
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