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Ball der Vampire

Ball der Vampire

Titel: Ball der Vampire
Autoren: Charlaine Harris
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Er schob mir eine kleine samtbezogene Schachtel in die Hand. Zusammen mit einem Zehndollarschein.
    »Klar, Andy, kein Problem«, erwiderte ich lächelnd.
    »Danke, Sookie«, sagte er, und dieses eine Mal lächelte er tatsächlich zurück, ein einfaches, unkompliziertes, ängstliches Lächeln.
    Andy hatte sich nicht geirrt. Halleigh bestellte die Hühnchenstreifen im Korb, als ich zu ihnen an den Tisch kam.
    »Bitte eine extra große Portion«, sagte ich zu unserer neuen Köchin, als ich die Bestellung in der Küche aufgab. Ich brauchte jede Menge Tarnung. Die Köchin, die am Herd stand, drehte sich um und funkelte mich aufgebracht an. Wir haben schon ein ganzes Sortiment Köche gehabt, jedes Alters, jeder Hautfarbe, jedes Geschlechts, jeder sexuellen Ausrichtung. Sogar ein Vampir war mal darunter. Die jetzige Köchin war eine Schwarze mittleren Alters namens Callie Collins. Callie war dick, so enorm dick, dass ich mich nur wunderte, wie sie all die Stunden in der heißen Küche auf ihren Füßen durchstand. »Extra große Portion?«, rief Callie, als hätte sie noch nie von so etwas gehört. »Oho. Hier gibt's nur eine Extraportion, wenn die Leute dafür zahlen, nicht weil's deine Freunde sind.«
    Schon möglich, dass Callie so scharfzüngig war, weil sie sich vom Alter her noch an die schlechte alte Zeit erinnern konnte, in der Schwarze und Weiße verschiedene Schulen, verschiedene Warteräume, verschiedene Trinkbrunnen hatten. Ich konnte mich an all das nicht erinnern, und ich schaffte es einfach nicht, jedes Mal Verständnis für Callies Seelenlast aufzubringen, wenn ich mit ihr sprach.
    »Sie haben gezahlt«, log ich, weil ich keine Erklärung durch die Durchreiche rufen wollte, die jemand in der Nähe mithören könnte. Ich würde einfach einen Dollar meines Trinkgelds in die Kasse legen. Trotz unserer Streitereien wünschte ich Andy und seiner Grundschullehrerin nur das Beste. Jede, die Caroline Bellefleurs Schwiegerenkeltochter werden würde, hatte wenigstens einen romantischen Moment verdient.
    Als Callie den Korb fertig hatte, holte ich ihn schnell. Es war gar nicht so leicht, die kleine Schachtel unter den frittierten Hühnchenstreifen zu verstecken. Ich fragte mich, ob Andy wohl klar war, dass der Samt ganz fettig werden würde. Ach, was soll's, es war ja seine romantische Geste, nicht meine.
    In fröhlicher Vorfreude trug ich das Tablett zum Tisch. Andy musste mich sogar (mit einem strengen Blick) ermahnen, eine etwas neutralere Miene aufzusetzen, als ich ihnen das Essen servierte. Vor Andy stand bereits ein Bier, und Halleigh hatte ein Glas Weißwein. Sie trank nicht viel, ganz wie es sich für eine Grundschullehrerin gehörte. Sobald ich alles abgesetzt hatte, verschwand ich gleich wieder. Ich fragte nicht mal mehr, ob sie noch irgendwas brauchten, wie es sich für eine gute Kellnerin eigentlich gehörte.
    Danach war's mir natürlich völlig unmöglich, nicht mehr hinzusehen. Ich beobachtete das Paar möglichst unauffällig, doch so genau wie nur möglich. Andy saß wie auf Kohlen, und in seinen Gedanken herrschte pure Aufregung. Er war sich tatsächlich nicht sicher, ob sein Antrag angenommen würde, und im Geiste spulte er eine ganze Liste Dinge ab, die sie einwenden könnte: dass Andy fast zehn Jahre älter war, sein riskanter Beruf...
    Ich wusste genau, in welchem Augenblick sie die kleine Schachtel entdeckte. Es war vielleicht nicht so furchtbar nett von mir, die Gedanken der beiden in einem so besonderen Moment zu belauschen, aber um ehrlich zu sein, daran habe ich zu dem Zeitpunkt nicht mal gedacht. Für gewöhnlich halte ich meine Schutzbarrieren ja hoch aufgezogen, doch wenn ich mal was Interessantes entdecke, dann tauche ich ganz automatisch in die Gedanken der Leute ein. Da ich meine Fähigkeit als einen Minus- und nicht als einen Pluspunkt betrachte, fühle ich mich wohl irgendwie berechtigt, zumindest das bisschen Spaß damit zu haben, das sie mir bieten kann.
    Ich stand mit dem Rücken zu ihnen und räumte einen Tisch ab, eine Arbeit, die ich dem Aushilfsjungen hätte überlassen sollen. Aber so war ich ihnen nahe genug.
    Einen Augenblick lang war Halleigh ganz erstarrt. »Da ist eine Schachtel in meinem Essen«, sagte sie endlich, sehr leise, denn sie wollte Sam nicht aufregen, indem sie einen großen Wirbel machte.
    »Ich weiß«, erwiderte Andy. »Die ist von mir.«
    Und da wusste sie es; ihre Gedanken rannten immer schneller und begannen sich schier zu überschlagen.
    »Oh, Andy«,
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