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Balkan Blues

Balkan Blues

Titel: Balkan Blues
Autoren: Petros Markaris
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Stelle große Lieferwagen parken, hat den Tätern die Arbeit erleichtert. Sie haben den PKW hinter dem großen Lieferwagen abgestellt und den geeigneten Zeitpunkt abgewartet, um den Toten auszuladen und in den Zug zu setzen.
    Meine Schuldigkeit ist getan, und ich mache mich auf zum Büro. Auf der ganzen Fahrt hoffe ich inständig, im Präsidium nicht noch einmal Parker über den Weg zu laufen. Der liebe Gott scheint meinen Wunsch zu erhören, obwohl er vollauf mit unserer Nationalmannschaft beschäftigt ist, damit sie die »Euro« gewinnt, wie man in Griechenland die Europameisterschaft in euphorischer Anlehnung an die neue Währung nennt.
    In meinem Büro ist alles ruhig. Entweder haben die Journalisten noch nicht Lunte gerochen, oder sie haben das Ausmaß des Falles erfaßt, lassen mich in Frieden und laufen direkt zu Gikas. Fünf Minuten später klingelt das Telefon, und Stavropoulos ist dran.
    »Der Mann ist an Tuberkulose gestorben«, sagt er. »Seine Lunge ist völlig zersetzt.«
    »Wie lange war er schon tot?«
    »Gehen Sie mal von achtundvierzig Stunden aus. In ein paar Stunden kann ich Genaueres dazu sagen.«
    Ich gehe davon aus, daß bald eine gute Nachricht eintrudelt. Es ist nur eine Frage der Zeit. Ich rufe meine beiden Assistenten zu mir.
    »Laßt euch aus dem Fotolabor Bilder des zweiten Toten geben, und klappert die Krankenhäuser ab. Irgendwo hat er sich gegen Tuberkulose behandeln lassen.«
    Vlassopoulos und Dermitsakis machen sich auf den Weg, und ich benachrichtige Gikas.
    »Das heißt, wir haben schon wieder kein Opfer?«
    »Das kommt darauf an. Wenn wir ein Mordopfer suchen, dann nicht. Wenn wir nach Störung der Totenruhe fahnden, dann haben wir eins.«
    »Was ist Ihre Meinung?«
    »Vorläufig gar keine. Auf den ersten Blick scheint es ein terroristischer Akt zu sein, aber irgend etwas paßt mir nicht ins Bild. Ich weiß aber nicht was.«
    »Ich werde Parker informieren müssen.«
    »Lassen Sie das Garner erledigen. Er war bei der Autopsie dabei.«
    »Sie haben recht. Jedem sein Zuständigkeitsbereich. Wir sind ja schließlich weder verheiratet noch verschwägert.«
    Ich lache als einziger. Gikas blickt mich finster an. Ich weiß, daß wir uns jetzt in Geduld fassen müssen. Es kann Tage dauern, bis Land in Sicht kommt. Doch das Glück lacht mir ausnahmsweise, und zwei Stunden später habe ich Dermitsakis am Apparat.
    »Herr Kommissar, wir haben ihn gefunden. Im Sismanoglio-Krankenhaus.«
    Ich nehme den Fahrstuhl, um Gikas zu benachrichtigen, doch kaum ruckelt er los, kommt mir der Gedanke, ich könnte auf Parker treffen. Ich drücke auf die Haltetaste und fahre wieder hinunter.
    In der letzten Zeit bin ich so oft im Streifenwagen unterwegs, daß ich mich langsam für eine Versetzung zum Polizeinotruf bewerben könnte. Dermitsakis wartet auf den Stufen vor dem Sismanoglio-Krankenhaus auf mich, und gemeinsam gehen wir zum Büro des Direktors. Bei ihm befindet sich der Arzt, der den Tuberkulosekranken bei seiner Einlieferung untersucht hat.
    »Er wurde eines Nachts eingeliefert, weil er Blut gespuckt hatte«, sagt der Arzt. »Er war in miserablem Zustand.«
    »Wie lange ist er hiergeblieben?«
    »Ein paar Stunden, nehme ich an. Als ich noch einmal vorbeischaute, war er nicht mehr in seinem Bett.«
    Er macht sich nicht die Mühe, mir den Grund dafür zu erklären, da er voraussetzt, daß ich ihn kenne. Viele illegale Einwanderer nehmen aus Krankenhäusern Reißaus, weil sie befürchten, man würde die Polizei verständigen und sie anschließend ausweisen.
    »Haben Sie seine Personalien festgehalten?«
    »Hier sind sie«, meint der Verwaltungsdirektor und reicht mir das Krankenblatt.
    Er hieß Zia Sharif und war Pakistani, geboren 1970. Das Krankenblatt weist auch eine Adresse in Liossia auf. Ich werde jemanden zur Überprüfung hinschicken, aber die Chancen stehen fünfzig zu fünfzig, daß sie falsch ist.
    Ich bitte den Fahrer des Streifenwagens, mich nach Hause zu fahren, obwohl ich auch öffentliche Verkehrsmittel nehmen könnte: Die Straßen sind kurz vor dem Beginn des Endspiels gegen Portugal menschenleer.
    Inzwischen ist es neun Uhr abends. Adriani steht in der Küche und bügelt.
    »Wollen wir uns nicht zusammen das Match anschauen?« frage ich. »Wer weiß, vielleicht sehen wir unsere Kinder in Kriegsbemalung!«
    Sie läßt das Bügeleisen in der Luft schweben und wirft mir einen strengen Blick zu.
    »Du kannst deine Sticheleien einfach nicht lassen.«
    Doch sie läßt ihre Arbeit liegen
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