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Bahners, Patrick

Bahners, Patrick

Titel: Bahners, Patrick
Autoren: Die Panik-Macher
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Konferenz nähergerückt sah,
wie er in der «taz» vor der letzten von ihm geleiteten Sitzung der Konferenz am
25. Juni 2009 berichtet hatte: «Ditib-Vertreter lösen sich ein Stück weit, sie
werden selbstständiger. Das geht voran.» Zufrieden verbuchte er den Zinsertrag
seines goldenen Wortes: «Meine Äußerung, dass der Islam Teil Deutschlands ist,
die ist angekommen. Das merke ich an den Reaktionen der Menschen. Die haben
mitgekriegt, dass wir uns bemühen.» In der Regierungserklärung von 2.006 hatte
Schäuble die islamische Teilgeschichte Deutschlands erst in der Gegenwart
beginnen lassen. Nach drei Jahren Islamkonferenz war die Zeit reif für die
Ergänzung seiner damaligen Aussage, der Islam sei ein Teil der deutschen
Gegenwart und der deutschen Zukunft. Der Islam gehöre zur deutschen Geschichte,
erklärte Schäuble auf dem Symposion zur Vorbereitung des Abschlussplenums vor
historischer Kulisse: im Reichssaal des Alten Rathauses von Regensburg. Hier
hatten Philipp Melanchthon und Johannes Eck disputiert, hier hatte der
Immerwährende Reichstag beraten, dessen Spielregeln der Grundtatsache der
neueren deutschen Verfassungsgeschichte Rechnung trugen: der beim besten Willen
und mit größtem Scharfsinn nicht wegzudisputierenden konfessionellen
Pluralität.
    Schäuble hat unbeirrt an der Überzeugung festgehalten,
dass das deutsche Staatskirchenrecht den Rahmen bildet, in dem sich auch ein
deutscher Islam organisieren kann. Ein Argument für diesen Optimismus ist die
Vergesslichkeit, die um sich greift, wenn etwas funktioniert. Man unterschätzt
die Leistungen, die das Staatskirchenrecht vollbracht hat, und unterschätzt
daher auch, was man ihm noch zutrauen kann. Das Verfassungsrecht des Alten
Reiches und das liberale Staatsrecht mit dem Palladium der Bekenntnisfreiheit
stifteten politischen Frieden unter Religionsparteien, die keinen Bürgerkrieg
mehr gegeneinander führten, aber nicht davon absahen, die eigene Lehre als ewig
wahr und die Doktrin der Gegenseite als heillos falsch zu betrachten. Die
wechselseitige Verwerfung der christlichen Konfessionen führte zur Ausbildung
unterschiedlicher Weltbilder und Lebensformen. Im neunzehnten Jahrhundert, dem
Zeitalter der Massenbildung und der Verwissenschaftlichung aller Verhältnisse,
wurden diese Unterschiede systematisiert und zugespitzt - auf beiden Seiten.
Und tatsächlich lebten Protestanten und Katholiken in getrennten Welten mit eigenen
Schulen, Parteipräferenzen und Lieblingsdichtern. Wie tief dieser Riss einmal
ging, ist dem allgemeinen Bewusstsein - halb ökumenisch, halb indifferent -
weithin entschwunden. Aber dieses Verblassen des Konfessionsgegensatzes ist
erst ein Phänomen der Nachkriegsgeschichte, in der es zunächst noch einmal
heftige Konfessionskämpfe gab, vor allem in der Schulpolitik. Schäuble hat in
der Welt seiner badischen Kindheit und Jugend die Schroffheit des konfessionellen
Antagonismus noch erlebt. Sein katholischer Vater wurde von den Sakramenten
ausgeschlossen, weil er zugelassen hatte, dass die Kinder evangelisch getauft
wurden. Als die CDU ihn Ende der vierziger Jahre als Bürgermeisterkandidaten in
einer Kleinstadt aufstellte, intervenierte das Erzbischöfliche Ordinariat. Der
evangelische Minister aus konfessionsverschiedener Ehe hat es gelegentlich als
Vorteil Deutschlands gegenüber konfessionell einfarbigen Nationen beschrieben,
dass hier religionspolitische Lösungen unter Bedingungen der Parität gefunden
werden mussten.
    Das deutsche Modell lädt die Religionsgemeinschaften ein,
ihre Überzeugungen in der Öffentlichkeit sichtbar und hörbar zu machen, auch im
Innenraum der staatlichen Institutionen wie Schule und Militär. Die Erwartung,
dass sich im Gegenzug diese Überzeugungen unter dem Einfluss der Verkündigung
in einem säkularen Kontext zwar nicht im dogmatischen Kern verändern, aber doch
in Aspekten anpassen und wandeln, die für das alltägliche Zusammenleben mit
Andersgläubigen entscheidend sind, wird von klugen Politikern nur andeutungsweise
angesprochen. Ein staatliches Programm religiöser Aufklärung müsste die
Glaubensfreiheit tangieren. Die Erziehung des Menschengeschlechts bleibt
angewiesen auf die Eigendynamik von Verhältnissen der freimütigen Diskussion
und des zivilen Umgangs. Das liberale Kalkül, dass die Gewöhnung an Pluralität
in der Kooperation mit dem Staat auf das Innenleben der
Religionsgemeinschaften zurückwirkt, wird von Erfahrungswerten gestützt. Die
Aufhebung der
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