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Bad Moon Rising

Bad Moon Rising

Titel: Bad Moon Rising
Autoren: Glen Duncan
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Fergus wechselte, sah mich an und sagte: »Ich finde, wir sollten in die Karibik. Das Wasser dort ist wie flüssiger Topas.«
    Wir erreichten den alten Bauernhof, holten Kleidung und Pässe, taten für Konstantinov, was wir mit der minimalen Erste-Hilfe-Ausrüstung nur konnten. Cloquet fand sogar einen Bach in der Nähe, aus dem Konstantinov trank und trank und trank, als wir ihn dort hintrugen. Dann blieb uns nichts anderes übrig, als auf den Monduntergang zu warten. Als es so weit war, zog sich jeder von uns in stillschweigender Übereinkunft zwischen die Bäume zurück, und rings um uns wurde die Luft schwer und ungestüm, so als ob jeder von uns ein einzelnes, eng umgrenztes Gewitter wäre. Wir zogen uns an, und nachdem sich das Rätsel ihrer menschlichen Gestalt wieder vollzogen hatte (die Kanten der Knie und Ellbogen, die Beweglichkeit der Finger, die einzigartige Nacktheit der Gesichter), gingen Fergus und Lucy los, um die Lieferwagen zu holen.
    Sechs Stunden später, nachdem Konstantinov von einem zweiundzwanzigjährigen Studenten, der trotz weißem Kittel und Stethoskop so aussah, als sollte er besser mit seiner Band in einer Garage üben, zusammengeflickt und mit Medikamenten versorgt worden war, nahmen wir Flug 34 der Aegean Airlines von Chania nach Heathrow, London, England, wo Madeline – und meine Tochter – auf uns warten sollten.

66
    Konstantinov blieb achtundvierzig Stunden im Bett, wo er von Budarin gepflegt wurde, und verschwand dann spurlos und ohne ein Wort zu sagen oder eine Nachricht zu hinterlassen. Als wir ihn anriefen, ging er auch nicht ans Telefon.
    »Natasha«, erklärte Walker. »Er muss wohl von ihr gehört haben.«
    Es war gegen 22 Uhr am dritten Tag nach Kreta; Heiligabend. Wir waren in dem Haus, das Madeline für uns im Dart Valley in Devon gemietet hatte, ein großes, abseits gelegenes, feuchtes Gemäuer eine halbe Meile außerhalb von Dartmouth, auf einem Hügel voller Ginster und fedriger Kiefern gelegen, von dem aus man zwischen den Bäumen den Fluss sehen konnte. Es roch nach alten Betten, Schimmel und den Geistern von tausend Mahlzeiten. Wir hatten Glück gehabt, überhaupt noch etwas zu finden: Eine andere Anmietung zu Weihnachten war in letzter Minute gescheitert. Madeline, mit Zoë in einer neuen, leuchtend pinkfarbenen Babytrage, hatte uns am Flughafen abgeholt und bereits für Mietwagen gesorgt; mit dem ersten Schneefall waren wir nach Süden gefahren. Gegen Mitternacht lagen fünfundzwanzig Zentimeter Neuschnee, und gegen Morgen hätte man sich mit ein wenig Phantasie durchaus einbilden können, eingeschneit zu sein. Glücklich eingeschneit. Mit den Kindern. Mit dem Geliebten. Mit dem Rudel.
    »Oder«, fügte Walker hinzu, »oder er ist verschwunden, um sich irgendwo umzubringen.«
    Wir saßen im großen Wohnzimmer, in dem ein geschwätziges Feuer brannte. (In einem der Tagebücher stand: ›Hör dir genau das sanfte Plappern des Feuers an, das Knistern und Funken des Tourette-Syndroms. Hör genau hin: Das Feuer spricht in Zungen.‹ Nun, da ich unsere Kinder bei mir hatte, wurde Jakes Abwesenheit zum irreparablen Bruch, zum unumkehrbaren Verlust. Ich hatte Bilder vor Augen: die Zwillinge, fünf oder sechs Jahre alt, wie sie völlig verzückt irgendeiner unglaublichen Geschichte lauschen, die er sich ausgedacht hat, oder wie er ihnen Beweise für ihre Übeltaten unter die Nase reibt und sagt: »Und für was genau haltet Ihr das?« Oder die beiden, wie sie sich riskanterweise über ihn lustig machen, ganz knapp außerhalb seiner Reichweite, oder wie die beiden mit ihrem Vater händchenhaltend eine Straße entlanggehen, sich vollkommen sicher fühlen und nichts von irgendwelchen Gefahren wissen, weil er ja da ist und die Kraft und Hitze seiner Hände, und seine Existenz ist ihre Freiheit, sich an der Welt zu erfreuen, an der Sonne, der Stadt, an seinen Geschichten, am Mond …) Die Hausbesitzer hatten alles für Weihnachten dekoriert, mit einem großen Weihnachtsbaum mit Lichtern und Lametta am Kaminsims und Ilex-Kränzen an den Türen. Die Zimmer blinkten und blitzten und erinnerten mich an meine Kindheit, was mir in der Seele weh tat, weil ich meinen Dad schon seit ewigen Zeiten nicht mehr gesehen hatte, so kam es mir vor, dabei waren es nur sechs Monate gewesen, und er hatte absolut keine Ahnung, was aus mir geworden war. Ob riskant oder nicht, im neuen Jahr würde ich nach Hause fahren und ihm seine Enkelkinder vorstellen. Erst mal nur als menschliche Wesen.
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