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Backup - Roman

Backup - Roman

Titel: Backup - Roman
Autoren: Heyne
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zu dir gestanden hat. Du hättest ihn nicht rauswerfen müssen.«
    Lil hatte wenigstens den Anstand, sich ein wenig zu schämen, wie ihr anzumerken war. »Ich besorge ihm ein Zimmer«, erklärte sie. »Für einen Monat. In Kissimmee. In einem Motel. Und ich werde auch dafür sorgen, dass er wieder Zugang zum Netz hat. Ist das fair?«
    »Mehr als fair«, sagte Rita. Warum hasste sie mich so sehr? Ich war für ihre Tochter da gewesen, während sie auf Eis gelegen hatte – aber klar, das konnte der Grund sein. »Ich halte das nicht für gerechtfertigt. Wenn Sie sich um ihn kümmern
wollen, Sir, bitte. Es ist keine Sache meiner Familie.«
    Lils Augen funkelten. »Lass mich das regeln, in Ordnung?«
    Rita stand abrupt auf. »Tu, was du willst«, erwiderte sie und stürmte aus dem Zimmer.
    »Warum wollen Sie überhaupt unsere Hilfe? Warum wenden Sie sich an uns?«, erkundigte sich Tom bei Dan – wie immer eine Stimme der Vernunft. »Sie wirken doch durchaus kompetent.«
    »Ich lasse mir Ende der Woche eine tödliche Injektion verabreichen«, erklärte Dan. »In drei Tagen. Es ist eine persönliche Sache, aber Sie haben mich gefragt.«
    Tom schüttelte den Kopf. Ich konnte ihm ansehen, was er dachte: Schöne Freunde hast du hier.
    »Schon so bald?«, fragte Lil mit zittriger Stimme.
    Dan nickte.
    In traumartiger Benommenheit stand ich auf und marschierte in den Tunnel hinaus, überquerte den westlichen Personalparkplatz und ging davon.
    Ich folgte dem ausgetretenen, notdürftig ausgebesserten Spazierweg für Globetrotter. In jede Platte des Gehwegs war der Name einer Familie eingraviert, die den Park vor einem Jahrhundert besucht hatte. Die vorbeihuschenden Namen kamen mir wie Grabinschriften vor.

    Die Sonne hatte ihren Höchststand erreicht, als ich die menschenleere Bucht zwischen dem Kurbad Grand Floridian und dem polynesischen Strandhotel umrundete. Lil und ich waren oft an diesem Strand gewesen, um eng umschlungen von einer Hängematte aus den Sonnenuntergang zu beobachten, während der Park sich wie eine beleuchtete Spielzeugstadt vor uns ausgebreitet hatte.
    Jetzt lag der Strand verlassen da und aus dem Hochzeitspavillon drang kein Laut. Mir wurde plötzlich kalt, obwohl ich heftig schwitzte. Schrecklich kalt.
    Wie im Traum watete ich in den See. Wasser lief mir in die Schuhe, nässte meine Hose, warm wie Blut, warm auf meiner Brust, auf meinem Kinn, auf meinem Mund, in meinen Augen.
    Ich öffnete den Mund und atmete so tief ein, dass mir das Wasser in die Lungen drang und ich keine Luft mehr bekam. Anfangs spuckte ich, aber dann hatte ich die Sache unter Kontrolle und atmete erneut ein. Funkelnd legte sich das Wasser über meine Augen, dann wurde alles dunkel.
     
    Ich erwachte auf Doktor Petes Feldbett im Magischen Königreich, an Hand- und Fußgelenken gefesselt, einen Schlauch in der Nase. Ich schloss die Augen und vermutete im ersten Moment, man habe mich aus einem Backup wiederbelebt,
all meine Probleme müssten somit wohl gelöst sein und die Erinnerungen der letzten Monate gelöscht.
    Tiefer Kummer erfasste mich, als mir klar wurde, dass Dan inzwischen vermutlich tot war und meine Erinnerung an ihn für immer dahin.
    Doch nach und nach begriff ich, dass das alles Blödsinn war. Die Tatsache, dass ich mich an Dan erinnerte, konnte nur bedeuten, dass man mich nicht aus meinem Backup wiederbelebt hatte, dass ich immer noch ein beschädigtes Gehirn im Schädel hatte und, ohne Verbindung zum Netz, immer noch in Isolation existierte.
    Erneut musste ich husten. Meine Rippen schmerzten und pochten in einem Gegenrhythmus zu meinem Kopf. Dan nahm meine Hand.
    »Du bist eine Landplage, weißt du das?«, sagte er mit einem Lächeln.
    »Tut mir leid«, würgte ich heraus.
    »Das sollte es auch. Du hattest Glück, dass sie dich gefunden haben – noch ein oder zwei Minuten, und ich hätte dich jetzt beerdigen können.«
    Nein , dachte ich verwirrt. Sie hätten mich aus einem Backup wiederherstellen lassen. Dann schoss es mir durch den Kopf: Ich hatte mich ausdrücklich gegen eine Wiederherstellung entschieden, obwohl ein professioneller Mediziner es empfohlen hatte. Niemand hätte mich unter solchen Umständen rekonstruiert und wiederbelebt. Ich
wäre wirklich und endgültig tot gewesen. Ich fing an zu zittern.
    »Ganz locker«, sagte Dan. »Ganz locker. Es ist jetzt alles in Ordnung. Der Doktor sagt, dir sind bei der Herzmassage ein paar Rippen gebrochen worden, aber du hast keinen Gehirnschaden davongetragen.
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