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Backup - Roman

Backup - Roman

Titel: Backup - Roman
Autoren: Heyne
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der Blätter am Liberty Tree. »Pscht. Weißt du, wir müssen ja nicht unbedingt auf derselben Seite stehen.«
    Sie hielten sich in den Armen, als wollten sie
einander nie wieder loslassen. Schließlich richtete Lil sich auf und bückte sich gleich wieder, um die Kiste ihres Vaters aufzuheben. Sie trug sie zum Spukhaus. Nacheinander schlossen die übrigen Ad-hocs sich ihr an.
     
    So ist es, wenn man ganz unten angekommen ist. Man wacht im Hotelzimmer eines Freundes auf, schaltet seinen Palmtop ein und stellt fest, dass man sich mit dem Gerät nicht mehr einloggen kann. Man drückt den Rufknopf des Aufzugs, doch er reagiert nur mit einem wütenden Summen. Also nimmt man die Treppe zum Foyer, und keiner der Menschen, die sich an einem vorbeidrängeln, schaut einen an.
    Man wird zur Unperson.
    Es war furchtbar. Ich zitterte, während ich die Treppe zu Dans Zimmer hinaufstieg und an seine Tür klopfte, lauter und drängender, als ich wollte – ein panisches Pochen.
    Als Dan öffnete, fiel mir auf, dass sein Blick zwischen mir und seinem Headmount-Display hin- und herhuschte. »Mein Gott«, sagte er.
    Ich nahm auf dem Bettrand Platz und vergrub den Kopf in den Händen. »Was geht hier vor?«, fragte ich. Was war geschehen, was passierte mit mir?
    »Du bist aus dem Ad-hoc rausgeflogen. Du hast kein Woppel mehr. Du bist komplett am Arsch.«
    So geht es einem, wenn man in Disney World ganz unten angekommen ist. Man sitzt in einem Hotel, in dem das Sausen der Einschienenbahn zu hören ist und die Sonne zum Fenster hereinströmt, während auf der Bahnstrecke die Dampflokomotiven schnaufen und vom Spukhaus das Wolfsgeheul vom Band herüberdringt. Die Welt sackt unter einem weg, zieht sich zurück, bis man nur noch ein Punkt ist, ein Staubkorn in der Dunkelheit.
    Ich hyperventilierte und mir wurde schwindlig. Bewusst verlangsamte ich das Atmen und steckte den Kopf zwischen die Knie, bis die Benommenheit nachließ.
    »Bring mich zu Lil«, sagte ich.
    Während wir zusammen im Wagen saßen und ich mir eine Zigarette nach der anderen ins Gesicht steckte, fiel mir der Abend ein, an dem Dan nach Disney World gekommen war und ich ihn in mein – in Lils – Haus gefahren hatte. Wie glücklich ich damals gewesen war, wie sicher ich mich gefühlt hatte.
    Als ich Dan ansah, tätschelte er meine Hand. »Sind schon komische Zeiten«, sagte er, und das genügte.
    Wir fanden Lil in einem unterirdischen Pausenraum, wo sie auf einem zerfransten Sofa vor sich hindöste. Den Kopf hatte sie in Toms Schoß gekuschelt, die Füße auf Ritas Schoß gelegt. Alle
drei schnarchten leise. Sie hatten eine lange Nacht hinter sich.
    Als Dan Lil wachrüttelte, streckte sie sich, schlug die Augen auf und sah mich schläfrig an. Sofort wich alles Blut aus ihrem Gesicht.
    »Hallo, Julius«, sagte sie kühl.
    Jetzt wurden auch Tom und Rita wach. Lil setzte sich auf.
    »Wolltest du’s mir eigentlich persönlich sagen? «, fragte ich. »Oder wolltest du mich einfach rauswerfen und mich selbst herausfinden lassen, was los ist?«
    »Dich wollte ich als Nächsten aufsuchen«, erwiderte sie.
    »Dann hab ich dir ja Zeit erspart.« Ich zog mir einen Stuhl heran. »Erzähl’s mir.«
    »Da gibt’s nichts zu erzählen«, schnauzte Rita. »Du bist draußen. Du hättest wissen müssen, dass es so kommen würde – mein Gott, du warst dabei, Liberty Square komplett zu ruinieren!«
    »Woher wollt ihr das wissen?«, fragte ich. Es fiel mir schwer, ruhig zu bleiben. »Ihr habt zehn Jahre lang geschlafen!«
    »Wir haben uns auf dem Laufenden gehalten«, erklärte Rita. »Deshalb sind wir auch zurückgekommen – wir konnten es einfach nicht so weitergehen lassen. Das waren wir Debra schuldig.«
    »Und Lillian«, sagte Tom.
    »Und Lillian«, fügte Rita zerstreut hinzu.

    Dan holte sich auch einen Stuhl. »Ihr seid nicht fair zu ihm«, sagte er. Wenigstens einer war auf meiner Seite.
    »Wir waren mehr als fair«, entgegnete Lil. »Das weißt du am allerbesten, Dan. Wir haben ihm vergeben und immer wieder vergeben, jedes erdenkliche Zugeständnis gemacht. Er ist krank und will sich nicht helfen lassen. Wir können nichts mehr für ihn tun.«
    »Doch, du könntest dich wie eine Freundin verhalten«, sagte Dan. Das Schwindelgefühl war wieder da. Ich sackte in meinem Stuhl zusammen, versuchte meinen Atem und das panische Pochen meines Herzens zu kontrollieren.
    »Du könntest versuchen, ihn zu verstehen. Du könntest versuchen, ihm zu helfen. Du könntest zu ihm stehen, so wie er
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