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Backup - Roman

Backup - Roman

Titel: Backup - Roman
Autoren: Heyne
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sangen, lachten und knutschten. Die Runde der Sieger. Ich trat in den Kreis und suchte nach Lil.
    Sie saß auf einem Holzbalken und starrte ins Feuer, eine Million Meilen weit weg. Mein Gott, wie schön sie war, wenn sie grübelte. Ich blieb eine Weile vor ihr stehen, doch sie sah durch mich hindurch. Als ich ihr schließlich auf die Schulter klopfte, quietschte sie unwillkürlich und lächelte in sich hinein.
    »Lil«, sagte ich und verstummte gleich wieder. Deine Eltern sind wieder da. Übrigens haben sie sich der Gegenseite angeschlossen.
    Zum ersten Mal seit Ewigkeiten sah sie mich sanft an, lächelte sogar und klopfte neben sich auf den Holzbalken. Ich setzte mich, spürte die Hitze des Feuers auf meinem Gesicht und die Wärme ihres Körpers an meiner Seite. Mein Gott, wie hatte ich das nur versauen können?
    Ohne Vorwarnung legte sie einen Arm um mich und drückte mich fest an sich. Ich erwiderte die Umarmung, steckte die Nase in ihr Haar und roch Holzrauch, Shampoo und Schweiß. »Wir haben’s
geschafft«, flüsterte sie fiebrig. Ich hielt sie fest. Nein, haben wir nicht.
    »Lil«, sagte ich noch einmal und ging ein wenig auf Abstand.
    »Was?«, fragte sie mit glänzenden Augen. Sie war völlig zugedröhnt, wie mir plötzlich klar wurde.
    »Deine Eltern sind wieder da. Sie sind ins Spukhaus gekommen.«
    Sie war verwirrt und sackte in sich zusammen, doch ich preschte noch weiter vor.
    »Sie sind bei Debra.«
    Sie wich zurück, als hätte ich sie geschlagen.
    »Ich hab ihnen gesagt, dass ich das ganze Team hole, um die Sache auszudiskutieren.«
    Sie ließ den Kopf hängen, ihre Schultern bebten. Zaghaft legte ich einen Arm um sie, doch sie schüttelte ihn ab und richtete sich auf. Sie lachte und weinte gleichzeitig. »Ich lass eine Fähre rüberschicken«, sagte sie.
     
    Ich setzte mich mit Dan hinten in die Fähre, ein Stück abseits der verwirrten und wütenden Ad-hocs. Als ich auf all seine Fragen nur einsilbig antwortete, gab er schließlich auf und wir schwiegen für den Rest der Fahrt. Ein Unwetter zog herauf: Erste Böen peitschten die Bäume rings um die Lagune der Sieben Meere hin und her.
    Die Ad-hocs nahmen eine Abkürzung über
den Parkplatz auf der Westseite und durchquerten die stillen Straßen der Westernstadt voll böser Vorahnungen – eine Begräbnisprozession, die das nächtliche Wachpersonal neugierig innehalten ließ.
    Als wir Liberty Square erreichten, sah ich, dass Arbeitsscheinwerfer brannten und ein mächtiges Aufgebot von Debras Ad-hocs von der Halle der Präsidenten zum Spukhaus unterwegs war, um unsere Demontage ihrer Arbeit rückgängig zu machen.
    Lils Eltern steckten mittendrin und machten sich mit hochgekrempelten Ärmeln und neuen, gut ausgebildeten Armmuskeln ans Werk. Während die Gruppe wie angewurzelt stehen blieb, ging Lil zu Tom und Rita hinüber, wobei sie auf dem hölzernen Gehsteig ins Stolpern geriet.
    Ich rechnete mit Umarmungen, doch dazu kam es nicht. Eltern und Tochter umschlichen einander wie Raubtiere, verlagerten das Gewicht und änderten die Haltung, taxierten einander und hielten einen gleichbleibenden, vorsichtigen Abstand.
    »Was, zum Teufel, macht ihr hier?«, fragte Lil schließlich. Sie richtete die Frage nicht an ihre Mutter, sondern an ihren Vater, was mich überraschte. Allerdings schien sich Tom kaum darüber zu wundern.
    Als er auf Lil zuging, drangen seine Schritte
überaus laut durch die nächtliche Stille. »Wir arbeiten«, sagte er.
    »Nein, tut ihr nicht«, erwiderte Lil. »Ihr macht hier nur alles kaputt. Hört auf damit.«
    Lils Mutter gesellte sich unverzüglich zu ihrem Ehemann und blieb neben ihm stehen, sagte jedoch nichts.
    Wortlos hievte sich Tom die Kiste, die er in den Händen hielt, auf die Schulter und wollte zum Spukhaus weitergehen. Doch Lil packte ihn am Arm und zog so heftig daran, dass er seine Last fallen ließ.
    »Hast du keine Ohren? Das Spukhaus gehört jetzt uns . Unterlass das gefälligst!«
    Rita löste Lils Hand vorsichtig von Toms Arm und nahm sie in die eigene. »Es freut mich, dass du solche Leidenschaft entwickelst, Lillian«, sagte sie. »Ich bin stolz auf dein Engagement.«
    Sogar aus einem Abstand von zehn Metern hörte ich Lils unterdrücktes Schluchzen, sah sie in sich zusammensinken. Ihre Mutter nahm sie in die Arme und schaukelte sie hin und her. Ich fühlte mich wie ein Voyeur, konnte mich aber nicht dazu überwinden, den Blick abzuwenden.
    »Pscht«, zischte ihre Mutter, und es klang fast wie das Rauschen
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