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Babylon in Hongkong

Babylon in Hongkong

Titel: Babylon in Hongkong
Autoren: Jason Dark
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für Menschen, die sich den Sinn nach Romantik bewahrt hatten. Die Kulisse der Stadt glitt an der Backbordseite vorbei. Ein einziges Meer aus Häusern, Lichtern und Lärm. Letzterer schallte glücklicherweise nicht bis zu uns herüber.
    Die Luft war besser geworden. Der dichte Mief der City lag hinter uns, Frische peitschte in unsere Gesichter, wir atmeten sie tief ein, ich erlaubte mir sogar ein Lächeln.
    »Ihnen geht es gut, wie?« Suzie rief die Frage gegen den Lärm der Motoren an.
    »Ja — im Moment. Bei meinem Job muß man die Momente genießen, in denen nicht das Grauen über den Köpfen schwebt. Wer sich in einem permanenten Streß befindet, der nutzt jede Chance. Ich freue mich über die Luft, auch wenn ich weiß, daß sie verschmutzt ist, und das Hafenwasser den Fischen jegliche Überlebenschance nimmt.« Ich hob die Schultern. »Trotzdem, an irgendeiner Sache muß der Mensch in dieser Welt noch Gefallen finden, und sei es nur an den Kleinigkeiten.«
    Etwas länger als gewöhnlich schaute mich Suzie an, ohne mir eine Antwort zu geben.
    »Stimmt doch — oder?«
    »Ja, ich meine das auch.« Sie blickte zur Lichterkette hinüber, die an Dichte und Glanz verloren hatte. Es taten sich viele Lücken auf, ein Zeichen, daß wir die direkte City hinter uns gelassen hatten und uns den einsameren Stellen der Inseln näherten, die es in Hongkong tatsächlich auch noch gab.
    Auch die Küste veränderte sich. Ich erkannte es an der Form der Brandung, die in unterschiedlichen Höhen und Breiten gegen die Felsen schäumte. Wenn mich nicht alles täuschte, verlief sie nicht mehr so gerade. Sie war mehr zerklüftet. Kleine Buchten, Einschnitte, aber auch Felsnasen, die vorstanden.
    Je länger wir fuhren, um so mehr nahm auch meine Skepsis zu. »Sie kennen die Bucht wirklich?«
    Suzie nickte. »Ich werde sie selbst in der Dunkelheit der Nacht zu finden wissen.«
    »Das ist allerhand.«
    »Nein. Nicht wenn man so etwas gelernt hat. In Hongkong lebe ich nicht nur, diese Stadt ist für mich zu einer Heimat geworden, wenn Sie verstehen. Ich habe mich mit ihrer Geschichte, aber auch mit ihrer Geologie beschäftigt, und freue mich darüber, denn es ist wirklich eine außergewöhnliche Insel, die eine besondere Vergangenheit hinter sich hat.«
    »Und die Zukunft?«
    Sie lachte bitter. »Niemand weiß, was geschieht, wenn Rotchina sie im Jahre 1997 übernimmt. Wir haben Hoffnungen gehabt, daß es Umwälzungen geben würde, aber aus dem Reformer Deng ist ein Schlächter geworden, der den Platz des Himmlischen Friedens mit dem Blut Tausender überschwemmt hat.«
    »Regiert die Furcht in Hongkong?«
    »Das müßte sie eigentlich. Seltsamerweise ist dies nicht so. Wenigstens nicht nach außen hin. Es wird noch immer gebaut, und auch noch höher. Neue Hotels entstehen, manchmal glaube ich, daß der Boom die Stadt noch vor der Übergabe zerfressen hat. Was wir in Hongkong erleben, ist Kapitalismus pur.«
    Ich konnte ihr nur zustimmen. Das Mutterland hatte tatsächlich Probleme mit der Kronkolonie, die man in Hongkong selbst wohl nicht als so schlimm sah.
    Die Wellen liefen teilweise quer gegen unser Boot und schaukelten es durch. Harte Schläge hatte die Bordwand auszuhalten. Gischt schäumte oft genug als dichter Schaum über und flog auch gegen unsere Gesichter.
    Immer häufiger wischten wir uns das Wasser von der Haut.
    »Soll ich den Kurs beibehalten?«
    »Noch.«
    »Und dann?«
    »Gebe ich Ihnen rechtzeitig genug Bescheid, John. Wir müssen natürlich näher an die Küste heran.«
    Wir schwammen nicht allein auf der weiten, wogenden, dunklen Fläche. Ich sah genügend Schiffe, die auf den Wellen schaukelten. Vergnügungsdampfer, bunt beleuchtet, umschwebt von Musikfetzen. Zudem bewegten wir uns auf dem Kurs der Fähre nach Lantau Island, die allerdings sahen wir um diese Zeit nicht mehr. Das Lichtermeer der großen Stadt war als helle Glocke irgendwo hinter uns verschwunden, und Suzie überfiel so etwas wie Unruhe. Sie hatte Karten gefunden und studierte sie im Schein meiner kleinen Bleistiftleuchte.
    »Alles klar?«
    Sehr bedächtig nickte sie. »Ändern Sie den Kurs, John. Wir müssen zum Ufer hin.«
    »Okay. Eine Frage noch. Wie sieht es mit Stromschnellen aus, mit Felsbuckeln, die aus dem Wasser schauen, mit…«
    »Hier nicht so schlimm. Die Bucht, die ich meine, liegt ziemlich günstig. Wir müßten eigentlich ohne Schwierigkeiten hinkommen können.«
    »Wird man uns sehen?«
    »Eher hören, schließlich fahren wir ohne
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