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Babkin, unser Väterchen

Babkin, unser Väterchen

Titel: Babkin, unser Väterchen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Totenschein! Nur der gilt! Keine fragwürdigen Hypothesen! Soll alles wieder von vorn anfangen? Ohne mich, Sidor Andrejewitsch.«
    »Auch ohne mich, Guri Jakowlewitsch.«
    »Ich lasse Dr. Bereschkow holen.«
    »Es würde Dr. Poscharskij beleidigen.«
    »Wie kann er beleidigt sein, wenn er zu feige ist?« Blistschenkow lehnte sich an den Tisch, berührte dabei zufällig Babkins Hand und zuckte vor der Kälte zurück. »War er auch damals so kalt?«
    »Das hat niemand kontrolliert. Für uns alle war er tot.«
    »Überall Dilettantismus. Überall! Wie soll sich die große sowjetische Idee durchsetzen, wenn überall nur Schwachköpfe sitzen?« Blistschenkow sah noch einmal Babkin an und trat dann vom Tisch zurück.
    Walentina, die stumm neben ihrem Väterchen Wache hielt, atmete auf.
    »Wie soll es weitergehen, Genosse Waninow?« fragte der Bürgermeister.
    »Wir warten einfach ab bis zum nächsten Abend. Dann sehen wir mehr …«
    Blistschenkow starrte den Popen verblüfft an, begriff dann, was hinter den Worten stand, und nickte mehrmals. Das Einfachste vergißt man oft, dachte er und ging zufrieden aus der Gerümpelkammer. Dabei sind wir Russen berühmt für die Phantasie unserer Improvisationen.
    »Gut, gut«, sagte er nur, nickte Walentina zu und vergaß nicht, sich vor dem Kreuz zu verneigen. Es war ja Nacht, und kein Genosse sah es außer Waninow. Bei der nächsten öffentlichen Rede mußte man die Religion wieder beschimpfen, das war notwendig. Aber untereinander wußte man ja, was hinter den offiziellen Plakaten immer noch weiterlebte.
    Kurz nach dem Weggang von Blistschenkow erschien Afanasjew in heller Aufregung.
    »Er darf nicht tot sein!« flüsterte Afanasjew mit zitternder Fistelstimme. »Es würde meinen Ruin einleiten. O Sidor Andrejewitsch, wenn du wüßtest … Man muß noch einmal mit ihm reden. Ich muß wissen, was er dem Genossen Blistschenkow alles über mich gesagt hat. Weckt Babkin sofort auf.«
    »Vergebliche Mühe. Pyljow hat schon einen Nagel in seinen Arm gestoßen – er rührt sich nicht. Er blutet nicht mal …«
    »Er … er ist also wirklich tot?« Afanasjew sank gegen die Wand der Kammer.
    »Abwarten.«
    Afanasjew holte röchelnd Atem. »Kann man nicht noch einmal versuchen, was neulich gewirkt hat? Ruft Mischin und sagt ihm, er soll seinen Hammer auf Babkins Kopf fallen lassen. Vielleicht hilft das wieder …«
    »Eine Idee.« Waninow sah Afanasjew lobend an. »Wir werden es gleich versuchen. Daß noch keiner daran gedacht hat.«
    »Rufen wir sofort Mischin an!«
    Aber Mischin, aus dem Bett geholt und von der neuen Nachricht nicht nur überrascht, sondern niedergeschmettert, schrie sofort am Telefon, daß er nicht daran dächte, noch einmal seinen Hammer fallen zu lassen.
    »Mich kostet dieser Tod zwar den besten Sarg, das beste Begräbnis, die besten Brokatstoffe, die luxuriöseste Ausstattung – aber ich nehme es auf mich. Laßt die Finger von Babkin! Wer ihn wieder aufweckt, müßte gesteinigt werden. Es ist erst Ruhe in Ulorjansk, wenn ein Meter Erde auf ihm liegt.«
    »Du verkennst die Lage, Igor Grigorjewitsch!« schrie Afanasjew verzweifelt zurück. »Verkennst sie völlig! Sein Tod drückt uns allen vielleicht die Gurgel zu. Es kann sein, daß er Aufzeichnungen hinterläßt … O Gott, zum Aufhängen ist's.«
    »Ich kann's noch ertragen!« sagte Mischin, schwankend zwischen Härte und innerem Schluchzen. »Ich werfe keinen Hammer mehr auf Babkin. Gebt mir Nachricht, wenn ich mit dem schönen Sarg kommen soll. Zwanzig Jahre Garantie, auch bei feuchtem Boden. Ich kann's verkraften, Viktor Viktorowitsch … das ist mir meine Ruhe wert.«
    Seufzend legte Afanasjew den Hörer auf. Waninow erkannte an seiner Haltung, daß es ein schlimmes Gespräch gewesen war.
    »Mischin will nicht?« fragte er.
    »Nein, er will nicht. Ihm ist ein toter Babkin wertvoller.«
    »Wie vielen in Ulorjansk. Trag es mit Würde, Afanasjew.«
    »So kann nur ein Pope reden, in dessen Händen die Rubel rieseln, aber aus dem nur billige Worte wieder herauskommen.« Afanasjew warf einen vernichtenden Blick auf den starren Babkin und verließ die Kirche.
    Zwei Stunden später löste Nelli ihre Schwester Walentina ab. »Nichts Neues?« flüsterte sie und warf einen Blick auf Babkin. »Er regt sich nicht?«
    »Nein. Er ist wirklich tot, Nelli …«
    »Wer glaubt ihm das?«
    »Sieh, wie sich sein Gesicht verändert … Damals blieb es gleich.«
    »Ich sehe keinen Unterschied«, meinte Nelli und setzte sich auf
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