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Babkin, unser Väterchen

Babkin, unser Väterchen

Titel: Babkin, unser Väterchen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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man Babkin so liegen sah, gab es keinen Zweifel mehr an seiner Entseelung. Aber genauso hatte er auch neulich auf dem Totenbett gelegen und hatte doch alles gehört und gesehen. Soviel Glück, daß Babkin nun wirklich tot war, zweifelte Poscharskij an.
    »Du solltest ihn untersuchen, Bairam Julianowitsch«, sagte Waninow der Pope.
    »Nein! Diesen Menschen fasse ich nicht wieder an.«
    »Ich habe für ihn gebetet und gesungen – ich habe meine Pflicht getan.«
    »Wie ergreifend!« rief Dr. Poscharskij höhnisch. »Welch ein risikoloser Beruf! Wacht Babkin wieder auf, hat's ihm nicht weh getan und auch nichts genützt. Ein Gebetchen und ein gesungenes Verschen … Aber was verlangt man von mir? Ich soll einen für tot erklären, der uns schon einmal aus dem Sarg gesprungen ist. Ich allein muß die Verantwortung tragen!«
    »Dafür bist du ein Arzt, Bairam Julianowitsch. Wir kümmern uns um die Seele, du um den Körper. Wir können Babkin doch nicht einfach in der Kirche liegen lassen.«
    »Warum nicht?«
    »Und wenn er zu stinken beginnt …«
    »Das ist eine Idee!« Dr. Poscharskijs Miene hellte sich auf. »Das wäre ein Beweis, daß er wirklich tot ist. Dann stelle ich einen Totenschein aus, ohne mich zu blamieren. Laß ihn hier liegen, Sidor Andrejewitsch.«
    »Vor dem zertrümmerten Altar?«
    »Natürlich nicht. Hinten in der Gerümpelkammer! Gibt's dort einen Tisch? Ja? Vortrefflich! Wir legen ihn auf den Tisch und warten ab … Nicht übelnehmen kann er uns das, wenn er wieder aufwacht.«
    Sie hoben Babkin vom Boden auf und trugen ihn ächzend nach hinten in die Gerümpelkammer der Kirche. Tatsächlich, es gab dort einen Tisch. Waninow blies den Staub von der Platte, sie legten Babkin drauf und waren so gütig, ihm die schlaffen Hände zu falten. Sie fühlten sich eisig an, die Finger, aber auf einen fragenden Blick von Waninow schüttelte Dr. Poscharskij wieder den Kopf.
    »Das ist kein Argument. Kennen wir alles. Wadim Igorowitsch scheint prädestiniert zu sein, in einen Scheintod zu verfallen. Ein medizinisches Phänomen, sage ich, noch kaum in der ärztlichen Literatur erwähnt. Ich werde darüber schreiben und alles für die Nachwelt festhalten. Ich werde es das ›Ulorjansker Asphyxie-Phänomen‹ nennen.«
    »Aber die Augen sollten wir ihm trotzdem zudrücken, Bairam Julianowitsch.«
    »Du sagst es. Was mich jetzt an Babkin stört, ist sein Blick.« Dr. Poscharskij drückte also Babkin die Lider herunter und kam sich danach weniger beobachtet vor.
    Die beiden Männer verließen die Kammer, kehrten in Waninows Wohnung zurück, und Sidor Andrejewitsch berichtete, wie es dazu gekommen war, daß Babkin wieder umfiel.
    »Die Überanstrengung … sag ich's doch, sag ich's doch! Das ist bei Babkin wie bei einem elektrischen Schutzschalter. Gibt es irgendwo eine Überhitzung – knack, schaltet bei ihm alles aus.« Dr. Poscharskij sah Waninow stolz an. »Ist das nicht eine fabelhafte Erklärung des Phänomens? Leicht verständlich, volkstümlich – jedermann begreift's. Sein Bronzekreuz wollte er wiederhaben? Gekämpft habt ihr darum? Wer kann Babkin noch verstehen? Du hast ihm doch nichts getan, Waninow …«
    »So ist's.« Der Pope senkte den Kopf, um Poscharskij nicht ansehen zu müssen. »Wer sagt es aber jetzt der armen Nina Romanowna?«
    »Was?«
    »Daß Wadim Igorowitsch wirklich tot ist.«
    »Ist er das? Ich wehre mich, daran zu glauben. Auch seine Familie wird's nicht glauben. Keiner kann es glauben, der das alles erlebt hat mit ihm.«
    »Trotzdem muß man die Familie unterrichten, sonst melden sie Babkins Verschwinden, und die Miliz beginnt, ihn zu suchen.« Waninow lehnte sich zurück und starrte gegen die Holzdecke des Zimmers. »Eine Todesnachricht sollte der Arzt überbringen …«
    »Ich lehne bei Babkin das Wort ›tot‹ vorläufig kategorisch ab!« rief Poscharskij empört. »Heikle seelische Dinge zu übernehmen, ist Pflicht eines Priesters.«
    So saß man eine Stunde herum, traktierte sich mit langen Reden über des anderen Pflichten und wurde sich doch nicht einig. Schließlich war es Waninow, der sich seufzend erhob.
    »Also gut«, sagte er, »gehen wir gemeinsam. Das verteilt die Last.«
    Ein salomonisches Wort, dem sich Dr. Poscharskij nicht entziehen konnte.
    Das war es, was er immer an den Priestern so bewunderte: Für alle Fälle im Leben hatten sie einen klugen Satz zur Hand, dem kaum widersprochen werden konnte.
    Wer nun erwartet, daß bei den Babkins überschäumende Freude
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