Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Babettes Fest

Babettes Fest

Titel: Babettes Fest
Autoren: Tania Blixen
Vom Netzwerk:
eine Art Limonade sein, die aufs beste zu ihrem angeregten Geisteszustand paßte und sie gleichsam von der Erde emporhob in höhere, reinere Regionen.
General Löwenhjelm stellte das Glas wieder zurück, wandte sich an seinen Nachbarn zur Rechten und sagte: «Aber das ist doch ein Veuve Cliquot 1860?» Der Angesprochene blickte ihn freundlich an, lächelte ihm zu und machte eine Bemerkung über das Wetter.
Der Junge hatte seine Anweisungen: Er füllte den Mitgliedern der Brüdergemeinde die Gläser nur einmal, dem General aber füllte er nach, sowie er ausgetrunken hatte. Und das geschah in raschem Wechsel. Denn wie soll sich ein Mann von Sinn und Verstand verhalten, wenn er sich auf Sinn und Verstand nicht mehr verlassen kann? Besser, man ist betrunken als verrückt.
Häufig war es den Leuten von Berlevaag bisher geschehen, daß sie sich nach einem guten Essen mit der Zeit ein wenig träge fühlten.
An diesem Abend war das anders. Die Tafelnden wurden leichter an Gewicht und leichter von innen her, je mehr sie aßen und tranken. Jetzt brauchten sie sich nicht mehr an ihr Gelübde zu erinnern. Es war ihnen klar geworden, wenn der Mensch jeden Gedanken an Speis und Trank nicht allein vergißt, sondern vollkommen aus seinem Bewußtsein verbannt, dann ißt und trinkt er im rechten Geist.
General Löwenhjelm hörte zu essen auf und blieb regungslos sitzen. Wieder wanderten seine Gedanken zurück zu jenem Festessen in Paris, an das er während der Schlittenfahrt gedacht hatte. Damals war ein ganz unglaublich ausgefallenes und wohlschmeckendes Gericht aufgetragen worden; er hatte sich bei seinem Nachbarn, dem Obersten Galliffet, nach dem Namen erkundigt, und der Oberst hatte ihm lächelnd geantwortet, es heiße «Cailles en Sarcophage». Er hatte hinzugesetzt, das Gericht sei von dem Küchenchef des Cafés, in welchem sie speisten, persönlich erfunden. Diese Person gelte in ganz Paris als das größte kulinarische Genie der Gegenwart, und – kaum zu glauben! – es handle sich um eine Frau. «Und wahrhaftig», sagte Oberst Galliffet, «diese Frau verwandelt ein Diner im Café Anglais in eine Art Liebesaffäre – eine Liebesaffäre von der edlen, romantischen Sorte, wo man nicht mehr unterscheidet, was körperliche und was geistige Begierde und Sättigung ist. Sie können mir glauben, ich habe schon um manche schöne Frau ein Duell gehabt. Aber es gibt in ganz Paris keine Frau, junger Freund, für die ich lieber mein Blut vergießen würde.» General Löwenhjelm wandte sich an seinen Nachbarn zur Linken und sagte zu ihm: «Das sind doch zweifellos Cailles en Sarcophage!» Der Nachbar, der eben der Beschreibung eines Wunders gelauscht hatte, blickte ihn geistesabwesend an; dann nickte er zustimmend und erwiderte: «Ja, ja, gewiß doch. Was sollte es sonst sein?»
Von den Wundertaten des Meisters hatte sich das Tischgespräch den kleineren Wundern an Güte und Hilfsbereitschaft zugewandt, die seine beiden Töchter täglich vollbrachten.
Der alte Bruder, der vorhin als erster den Choral angestimmt hatte, zitierte einen Ausspruch des Propstes: «Die einzigen Dinge, die wir aus unserem Leben hienieden mit uns nehmen können, sind die, die wir hingegeben haben.» Die Gäste lächelten gerührt –steinreich würden die bescheidenen armen Jungfern in die nächste Welt einziehen.
General Löwenhjelm wunderte sich über nichts mehr. Als ein paar Augenblicke später Trauben, Pfirsiche und frische Feigen vor ihn hingestellt wurden, sagte er lächelnd zu dem ihm gegenübersitzenden Gast: «Schöne Weintrauben!» Der aber antwortete: «Und sie kamen bis an den Bach Eskol und schnitten daselbst eine Rebe ab mit einer Weintraube und ließen sie zwei auf einem Stecken tragen.»
Da fühlte der General, daß die Zeit gekommen war, eine Rede zu halten. Er schob seinen Stuhl zurück und richtete sich kerzengerade auf.
Niemand sonst am Tisch war aufgestanden, um zu sprechen. Die alten Leutlein hoben in hoher, seliger Erwartung ihre Augen zu dem Gesicht da oben. Sie waren an den Anblick gewöhnt von Seeleuten und Landstreichern, die stockbesoffen waren von dem landesüblichen scharfen Schnaps. Doch erkannten sie mitnichten in dem Krieger und Hofmann die vom edelsten Wein der Welt hervorgebrachte Trunkenheit.

11. General Löwenhjelms Rede

«Gnade und Wahrheit, meine Freunde, sind einander begegnet», sagte der General.
«Rechtschaffenheit und Himmelssegen sollen vereint sein in einem Kuß.»
Er sprach mit klarer Stimme, die geschult war auf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher