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Azrael

Azrael

Titel: Azrael
Autoren: Heather Killough-Walden
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blähte sie. Die Zuschauer an Land winkten dem Paar, doch das merkte nichts davon, denn der Kuss nahm kein Ende.
    Langsam segelte das Boot davon, der aufsteigenden Sonne entgegen.
    Randall McFarlan stand neben Michael auf dem Pier und seufzte tief. Dann nahm der Expolizist die dunkle Brille ab und wandte sein Gesicht der Sonne zu. Verständnisvoll klopfte Monte ihm auf die Schulter und lächelte wissend.
    »Ein schöner Tag«, meinte Uriel an Michaels anderer Seite.
    Mike schaute in die grünen Augen seines Bruders, die im Morgenlicht glänzten.
    »Allerdings«, bestätigte er.

Epilog
    Der Central Park war natürlich der berühmteste Park von New York. Theoretisch konnte Sam auch jeden anderen Park auf der Welt gemeint haben, aber weil Michael in New York lebte und der Vergewaltiger hier sein Unwesen trieb, musste es wohl der Central Park sein.
    Am 1. Mai arbeiteten die Gärtner rund um die Uhr, stutzten Hecken und Bäume, düngten Blumenbeete und mähten Rasenflächen. Jetzt, am späten Nachmittag, tummelten sich unzählige Leute im Park – Familien mit Frisbees, junge Paare und Betrunkene. Im Schatten schliefen Junkies und waren hoffentlich nicht tot.
    Michael stand neben einer Parkbank und schaute sich langsam um.
    Ein paar Schritte entfernt lockte ein Hotdog-Kiosk mit dem Geruch von heißen Würstchen und Senf. Tauben pickten die Essensreste auf. Hin und wieder versuchte ein angeleinter Hund, die Vögel zu verscheuchen.
    Alles normal.
    Aber die letzten zweitausend Jahre hatten Michael gelehrt, dass nichts so normal war, wie es aussah. Mit der Zeit würde sich das herausstellen.
    Und so setzte sich der Beamte in Zivil vom New York Police Department auf die Bank, lehnte sich geduldig zurück und schlug die Füße übereinander.
    Eine Stunde verstrich. Dann noch eine. Ein Mann setzte sich zu ihm und versuchte, ihn anzumachen. Höflich lehnte Mike ab. Ein paar Frauen gingen vorbei und lächelten ihn an, eine Gruppe junger Mädchen wollte seine Aufmerksamkeit erregen, indem sie sich albern benahm. Aber die meisten Leute hielten sich von ihm fern. Er strahlte eine gewisse Aura aus. Intensiv, vielleicht ein bisschen beängstigend. Vermutlich merkten sie ihm an, dass er ein Cop war.
    Oder sie spürten, dass er noch etwas mehr war.
    Als die Nacht hereinbrach, gingen die Lampen an und warfen schwaches Licht auf die Wege. Insekten umschwirrten die Glühbirnen, mit jeder Stunde wurden es mehr. Allmählich verschwanden die Leute, die Art der Besucher des Parks änderte sich. Die Familien kehrten heim, Liebespaare rückten näher zusammen, und einige verschwanden im Gebüsch.
    Aus braunen Papiertüten tauchten Schnapsflaschen auf. Feuerzeuge flackerten im Dunkel. Wie Mike wusste, würden sie nicht nur Zigaretten anzünden.
    Dafür müsste sich der Polizist in ihm interessieren. Aber da er seit Generationen inmitten der Menschen lebte, kannte er ihre Leiden und verstand das Bedürfnis, dem Elend zu entfliehen. Jeder hatte das Recht, sein Leben etwas erträglicher zu gestalten. Nur wenn dadurch anderen geschadet wurde, mischte er sich ein.
    Bei diesem Gedanken runzelte er die Stirn. Vor langer Zeit war er an der Spitze eines Engelsheers dahingeflogen. Das Schwert hatte einen Abdruck in seiner Handfläche hinterlassen – unsichtbar, aber sehr tief, und der diktierte seine Handlungsweise als Cop und als Mann. Er war ein Verteidiger, ein Krieger. Aber auch ein Heiler. Doch derzeit besaß Azrael die magische Fähigkeit Michaels, Wunden zu heilen. Noch immer war sie nicht zu Mike zurückgekehrt, was zweifellos an Samaels hinterhältigen, mysteriösen Machenschaften lag. Wer wusste schon, was der Gefallene so trieb? Michael erkannte nur, wie schmerzlich er diesen Teil seines Wesens vermisste, und er hoffte, er würde ihn vorerst nicht brauchen.
    Nach einem tiefen Atemzug stand er auf. Die Hände in den Taschen seiner Lederjacke, folgte er einem der Wege, hielt Augen und Ohren offen. Die Nacht wurde dunkler, die Schatten tiefer, das Laub ringsum raschelte leiser. In der immer deutlicheren Stille erklangen Michaels Schritte in den Stiefeln hart und einsam. Eine kühle Brise ließ seinen Nacken prickeln. Geistesabwesend klappte er seinen Kragen hoch.
    Hinter ihm regte sich etwas, er spürte eine Veränderung in der Luft, und er fuhr herum. Aber der Weg war dunkel und leer. Sanft bewegte der Nachtwind einen Weidenzweig. Sonst rührte sich nichts.
    Zu seiner Rechten blitzte etwas Blaues auf, und er wandte sich in diese Richtung. Wieder
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