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Axis

Axis

Titel: Axis
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al-Khali sich für weitere zehntausend Jahre schlafen gelegt hatte –, kehrte Lise nach Port Magellan zurück.
    Der Himmel war freundlich, und es lagen etliche Schiffe im Hafen vor Anker, nicht so viele allerdings, wie es einmal waren – oder vielleicht wieder werden würden, wenn die Ölindustrie neu aufgebaut und der Tourismus wiederbelebt sein würde.
    Sie nahm sich ein Zimmer in einem Hotel. Die Genomische Sicherheit hatte das Interesse an ihr verloren, nachdem Dvalis Vierte die Bioreaktoren bei Kubelick’s Grave in die Luft gesprengt hatten, doch es war nicht ausgeschlossen, dass ihr Name noch auf irgendeiner Liste stand. Daher mietete sie das Zimmer unter einem falschen Namen und dachte darüber nach, wie sie ihr Leben wieder auf die Reihe bekommen könnte. Schließlich, eine Woche, nachdem sie angekommen war – nicht auf einem Trawler, wie sie es sich vorgestellt hatte, sondern in einem Bus zusammen mit fünfzig anderen Flüchtlingen aus der Rub al-Khali –, nahm sie ihren Mut zusammen und rief Brian Gately an.
    Als seine Überraschung abgeklungen war, erklärte sie sich bereit, ihn auf neutralem Boden zu treffen: im Harley’s, am Nachmittag, an einem Tisch mit Blick auf die Bucht.
    Sie traf früh ein, und während sie wartete, überlegte sie, was sie ihm sagen wollte, doch sie konnte sich nicht konzentrieren. Ein Kellner brachte Eiswasser und Brot an den Tisch. Auf seinem Namensschild stand MAHMUT, und sie fragte Mahmut, ob Tyrell noch in diesem Restaurant arbeitete – sie erinnerte sich an Tyrell vom Abend des ersten Ascheregens, damals, als sie sich mit Turk hier verabredet hatte, um ihm das Foto von Sulean Moi zu zeigen. Nein, Tyrell sei in die USA zurückgekehrt, sagte Mahmut. Viele Leute hatten Port Magellan verlassen, nachdem diese seltsamen Sachen vom Himmel gefallen waren. Es war immer das Gleiche, dachte Lise, und doch alles anders… Dann, als Mahmut sich entfernte, sah sie Brian durch die Tür kommen.
    Er setzte sich vorsichtig lächelnd zu ihr. Brian Gately, kein Mitarbeiter des Ministeriums für Genomische Sicherheit mehr. Das war am Telefon eine seiner ersten Neuigkeiten gewesen. Ich arbeite da nicht mehr, hatte er gesagt, als würde er seine Referenzen präsentieren. Ich habe gekündigt. Er hatte nicht gesagt, warum.
    »Du hast mich gerade noch rechtzeitig erwischt«, sagte er jetzt. »Nächste Woche bin ich aus der Wohnung raus. Alles, was ich im Moment besitze, sind vier gepackte Koffer und eine Fahrkarte nach Hause.«
    »Du willst zurück in die Staaten?«
    »Es gibt keinen Grund, hierzubleiben. Ich verrate dir ein Geheimnis, Lise. Ich hasse diese Stadt. Ich hasse diesen ganzen Planeten.«
    Weil er nicht mehr beim MfGS war, konnte er ihr nicht helfen. Aber andererseits konnte er ihr auch nicht schaden.
    Als Bedrohung war er mehr oder weniger neutralisiert. Und so überlegte sie, ob sie ihm erzählen sollte, was in der Wüste geschehen war. Denn danach würde er sie fragen. Sie war sich sicher, dass er danach fragen würde.
     
    Festhalten, hatte Sulean Moi zu ihr gesagt, und das war es, was Lise tat, auch wenn es schien, als würde die ganze Welt ins Rutschen geraten. Ringsum wurden die fluoreszierenden Kugeln von den Bäumen gerissen und vom Wirbel des Bogens angezogen. Aus dem Wind wurde Sturm und aus dem Sturm ein Orkan, und sie klammerte sich an der Betonrampe fest, zu verängstigt, um auch nur zu schreien. Nur vage nahm sie Sulean Moi wahr, die ein Stück weiter von ihr kauerte.
    Der Wind hörte einfach nicht auf, und sie verlor hin und wieder das Bewusstsein, doch irgendwie gelang es ihr trotzdem, sich festzuhalten. Immer wieder erwachte sie – nicht aus, sondern in einen bösen Traum. Würde diese Nacht jemals enden?
    Irgendwann hörte es schließlich auf. Der Wind beruhigte sich, die Welt kam wieder ins Gleichgewicht, und Sulean Moi rief nach ihr: »Lise, sind Sie verletzt?«
    Es gab tausend Möglichkeiten, diese Frage zu beantworten, aber sie konnte nicht sprechen.
     
    Der Bogen im Westen war verschwunden, ebenso der Großteil des Waldes. Geblieben waren zerstörte Gebäude, nackte Fundamente, aufgerissenes Pflaster und die Stümpfe der Hypothetischen-Bäume.
    Da war die Wüste wieder, dachte Lise. Und die unerträglichen Schmerzen von Muskelkrämpfen. Sowie der andere, unendlich tiefere Schmerz.
    Einige Tage später saß sie am Rande einer öden Straße, hungrig und ausgemergelt, in dreckiger Kleidung, neben ihr Sulean Moi und ein Stück weiter ein Dutzend ebenfalls
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