Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Axis

Axis

Titel: Axis
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
waren…
    »Schau«, sagte Turk. Sie waren wieder bei den Verladestationen angelangt, dort, wo die gruselige Hecke aus Augenblumen stand. »Es hat aufgehört.«
    Das Graben hatte aufgehört.

 
33
     
     
    Avram Dvali war gerade damit beschäftigt, Konservendosen aufzusammeln, als das Graben aufhörte. Entsetzt richtete er sich auf.
    Sein erster Gedanke war: Der Junge ist tot. Die Bäume der Hypothetischen hatten aufgehört zu graben, weil der Junge tot war. Und für die Dauer eines langen Herzschlages war das nicht nur eine Vermutung, sondern Gewissheit.
    Dann dachte er: Oder sie haben ihn gefunden.
    Er ließ fallen, was er in den Händen hielt, und rannte zur Ausgrabungsstelle.
    In seiner Eile wäre er beinahe in die Hecke aus Augenrosen gelaufen. Eine von ihnen drehte sich zu ihm um und betrachtete ihn, das Auge so ausdruckslos wie eine dunkle Perle. Er ignorierte sie.
    Verblüfft sah er, wie viel die grabenden Bäume geschafft hatten, seit er das letzte Mal nachgesehen hatte. Eine intakte Mauer war freigelegt worden – und eine Öffnung im Schutt, die ins Innere führte.
    Er drängte an den Augenrosen vorbei, schob ihre fleischigen Stängel beiseite. Irgendwo in dieser Dunkelheit musste Isaac sein, am Leben und im Zwiegespräch mit den Kräften, die Dvali gleichzeitig liebte und fürchtete, seit sie die Erde der Zeit entrissen hatten: den Hypothetischen.
    Die Baumwurzeln lagen in einem regungslosen Gewirr am Eingang zu dem verschütteten Raum. Dvali zögerte. Er wusste, dass es nicht ratsam war, weiterzugehen – das Gewicht der Trümmer musste gewaltig sein, tonnenschwer lagen sie auf der Decke, die von nur wenigen ächzenden Querstreben und Balken gehalten wurde –, und wusste doch gleichzeitig, dass er nicht anders konnte.
    Sirenengleich pfiff der Wind durch die Ruinen.
    Dvali machte einige Schritte ins Dunkle hinein und rümpfte die Nase über den Geruch, der ihm entgegenschlug. Hier war unverkennbar etwas gestorben. Das Herz wurde ihm schwer. »Isaac!«, rief er. Im trüben Licht konnte er zunächst nicht das Geringste sehen; erst als sich seine Augen daran gewöhnt hatten, begann er Umrisse zu erkennen.
    Die Marsianerin, Sulean Moi. War sie tot? Nein. Sie blickte vom Fußboden aus zu ihm auf, mit einem Ausdruck des Schocks in den vom plötzlichen Tageslicht geblendeten Augen. Dann kroch sie auf Händen und Knien auf die Öffnung zu. Er wollte ihr helfen, aber seine Gedanken blieben auf Isaac fixiert. Wenn er doch nur eine Lampe gehabt hätte, eine Taschenlampe, egal was!
    Der Wind heulte, Putz staubte von der Decke. Dvali biss die Zähne zusammen und ging weiter hinein.
    Der nächste Körper, auf den er stieß, war der von Diane Dupree. Sie war tot, und er ging, sobald er sich von dieser Tatsache überzeugt hatte, schnell vorbei. Die Decke war niedrig, er ging gebückt. Und schließlich erblickte er Isaac - Isaac am Leben, Isaac neben Anna Rebka kniend.
    Der Junge wich zurück. Seine Augen leuchteten, die goldenen Flecken auf der Iris traten deutlich hervor. Sogar seine Haut schien ein wenig zu schimmern. Er sah nicht sehr menschlich aus – er war jaauch kein Mensch, rief sich Dvali in Erinnerung.
    Anna Rebka rührte sich nicht. »Ist sie tot?«, fragte Dvali.
    »Nein«, erwiderte Isaac.
     
    »Lass sie, Isaac!«, rief Sulean Moi vom Eingang des Lagerraums. »Lass sie liegen und komm raus.«
    Doch ihre Kehle war staubtrocken, und was als Anweisung gedacht war, kam nur als klägliche Bitte heraus.
     
    Dvali legte seine Finger an Annas Hals, fühlte nach einem Pulsschlag, wusste, dass er keinen finden würde. Isaac täuschte sich oder leugnete eine offenkundige Tatsache. »Sie ist tot, Isaac«, sagte er sanft.
    »Das ist nur ihr Körper.«
    »Wie meinst du das?«
    Stockend begann der Junge zu erklären.
     
    Dieser Wind, dachte Sulean Moi, wird uns noch umbringen.
    Sie sah Turk und Lise auf sich zueilen, durch eine Ansammlung fremdartiger Gewächse hindurch, einer Art Wald – ein mehr als grotesker Anblick nach all den Stunden der Blindheit im verschütteten Lagerraum. An das obere Ende dieser… sollte sie sie Bäume nennen?… war ein Baldachin aus glitzernden Kugeln befestigt. Und nahebei war eine Art Gestrüpp aus Augenrosen gewachsen.
    Die Welt war auf obszöne Weise verwandelt.
    Und der Wind: Wo kam er her? Seine Heftigkeit nahm mit jeder Sekunde zu. Er zog und zerrte an den Ruinen, ließ Drachen aus Trockenmauer und Teerpappe aufsteigen.
    Sulean wandte sich wieder um und rief, vernehmbarer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher