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Axis

Axis

Titel: Axis
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Erde. Ich lebe in Äquatoria. Alle diese Aussagen waren korrekt.
    Und er wollte diese konkurrierenden Erinnerungen auch nicht unterdrücken – weil sie ihn nicht nur ängstigten, sondern auch trösteten. Wer würde ihn in den Strudel des temporalen Torbogens begleiten, wenn nicht Jason und Esh?
    »Isaac, weißt du, was geschieht?«
    Ja, zum Teil wenigstens.
    »Dann« – er registrierte, dass es die Stimme Sulean Mois war, Eshs Freundin, Isaacs Freundin – »erklär es mir bitte.«
    Er kroch auf sie zu, tastete nach ihrer Hand und sagte mit Jasons Stimme: »Es ist eine in die Jahreszeiten der Hypothetischen eingebettete Schleife.« Jahreszeiten – er spürte die Angemessenheit des Wortes: zyklische Bewegungen, Ebbe und Flut im Ozean des Lebens dieser Galaxis. »In einem… reifen Sonnensystem, wenn man so will, vergrößern die Hypothetischen ihre Masse, akkumulieren Information, vermehren sich, bis sich an einem bestimmten Punkt die ältesten Exemplare einer Art Sporenbildung unterziehen. Sie produzieren kompakte Ausstoßungen, die Staub- oder Aschewolken ähneln. Und diese Wolken folgen langen elliptischen Kreisbahnen, die die Bahnen von Planeten schneiden…«
    »So wie hier.«
    Ja, hier, auf diesem felsigen Planeten, bewohnbar gemacht für die potenzielle Zivilisation, mit der er dann schließlich verbunden worden war…
    »Sie kennen uns also?«
    Die Frage verwirrte Isaac, doch die Erinnerung Jason Lawtons schien sie zu verstehen. »Die Informationsverarbeitung läuft über Lichtjahre und Jahrhunderte, aber einige biologische Zivilisationen überleben lange genug, um von ihrem Raster erfasst zu werden. Und biologische Zivilisationen sind nützlich, weil sie neues Maschinenleben erzeugen, das verstanden werden kann, absorbiert werden kann. Und sie erzeugen noch etwas, das die Netzwerke interessiert.«
    »Nämlich?«
    »Ruinen«, sagte die Erinnerung Jason Lawtons. »Sie erzeugen Ruinen.«
     
    Draußen, hinter den für das menschliche Auge undurchdringlichen Mauern aus Beton und Schutt, arbeitete das Ballett der Erinnerung mit erhöhter Geschwindigkeit.
    Erinnerung, erklärte er Sulean Moi, war das, was hier geschah. Über Zehntausende von Jahren gesammeltes Wissen wurde in den Kugeln verdichtet, die das Dach des Waldes bildeten. Information, die geordnet und dann durch den temporalen Torbogen weitergeleitet werden sollte: Information über die Umlaufbahnen und klimatischen Bedingungen lokaler Himmelskörper, über die Flugbahnen eisiger Kometen, aus denen die Hypothetischen ihre Masse gezogen hatten und weiter ziehen würden, über die Signale, die aus anderen Teilen der Galaxis empfangen und beantwortet worden waren…
    »Warum Erinnerung? Zu welchem Zweck? Was ist das, das sich erinnert?«
    Was sich erinnerte, das war das Ding, das er nicht sehen konnte, obwohl er doch so vieles sah. Nicht einmal Jason Lawton konnte die Frage beantworten, die Sulean Moi gestellt hatte. Was hier geschah, war nur ein triviales Ereignis im Netzwerk, im Bewusstsein des… mein Gott, Diane, ist es wirklich da draußen zwischen den Sternen herangewachsen, das, woran du damals so sehr geglaubt hast?
    »Isaac! Kannst du mich hören?«
    Er stürzte zurück in den Abgrund seiner eigenen Gedanken.
     
    Weil Isaac sich an Jason erinnerte, erinnerte sich Jason auch an Isaac. Jasons Verständnis der Welt hatte sich über Isaacs Erfahrungen gelegt – und daraus entstand eine Art doppeltes Sehen, das äußerst unangenehm war.
    Es zeigte Isaacs Leben wie in einem Zerrspiegel. Zum Beispiel Mrs. Rebka. Sie war jemand, der ihm nahestand, dem er vertraute. Aber wenn Jason diese gleichen Erinnerungen betrachtete, wurde sie plötzlich kalt, distanziert, alles andere als eine Mutter. Für Isaac existierte sie in einer jedem Urteil entzogenen Sphäre; für Jason hatte sie sich eines fundamentalen Verbrechens schuldig gemacht.
    Ähnlich seine Erinnerungen an Dr. Dvali, dem Gott, der Isaacs Welt definiert hatte – und den Jason als besessenes Monster wahrnahm.
    Isaac wollte diese Leute nicht hassen, und selbst der Teil von ihm, der Jason Lawton war, brachte noch etwas Sympathie für Mrs. Rebka auf. Sie hatte Isaac geliebt, so sehr sie auch versucht hatte, es zu verbergen, und ein wenig beschämt begriff Isaac, wie schwierig es gewesen war, ihn zu lieben. Er war nicht klug genug gewesen, ihren Schmerz wahrzunehmen.
    Jetzt nahm er ihn wahr. Sie hatte seit über einer Stunde nicht mehr gesprochen, und als er zu ihr ging und sich neben sie setzte, als
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