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Ausziehen!

Ausziehen!

Titel: Ausziehen!
Autoren: Lois Greimann
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schuldig sprechen, wenn mir infolge des Nikotinentzugs der Kopf implodierte.
    »Tut mir leid, Mr. Lepinski, ich habe jetzt gleich noch einen anderen Patienten.«
    »Geben Sie ein klein wenig Gallseife darauf, damit geht der Fleck raus«, sagte er und starrte weiter auf meine Brust. Ich bin zwar nicht Dolly Parton, aber auch nicht gerade Calista Flockhart. Dennoch bezweifelte ich stark, dass Lepinski überhaupt in Betracht gezogen haben könnte, dass da irgendwo unter meiner völlig überteuerten Kombimode Fleisch versteckt war. Der Fleck nahm ihn vollkommen in Beschlag. »Es sei denn, es ist roter Traubengelee. Das ist doch kein Gelee, oder?«
    Zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass sich meine Finger fest um den Brieföffner geklammert hatten. Er lag gut in der Hand. Ich sah die Überschriften schon vor mir: Hungrige Psychologin attackiert verrückten Spinner mit Minimodell von Excalibur. Vielleicht müsste man noch ein wenig am Titel arbeiten. Frau mit fleckiger Bluse überfällt Verrückten.
    »Vielleicht ist es aber auch Traubensaft. Bei Traubensaft -«
    Ich hob den Brieföffner.
    »Hallo!«
    Ich fuhr zusammen. Lepinski zuckte. Uns stockte der Atem. Gleichzeitig drehten wir uns zur Tür um.
    »Tut mir leid, wenn ich störe.« Andrew R. Bomstad stand in der Türöffnung und lächelte mich schüchtern an. Was bei einem Mann seiner Größe eigentlich recht seltsam erschien, besonders, wenn man seine Vergangenheit als Football-Star kannte. Er hatte als Tight End bei den Lions gespielt, bis eine Verletzung in der Leistengegend seiner glorreichen Zeit ein Ende gesetzt hatte. Jetzt trat er in Werbespots auf und besaß Firmenaktien, die ihm wahrscheinlich pro Stunde mehr Geld einbrachten, als ich in einem ganzen Monat verdiente. Es war mir vollkommen schleierhaft, warum er gerade mich zu seiner Therapeutin auserkoren hatte. Aber er hatte Geheimnisse, die er nicht an die große Glocke hängen wollte, und dachte vielleicht, dass ich keine wichtigen Leute kannte, denen ich davon erzählen konnte, sollte ich meine Schweigepflicht brechen. »Ihre Sprechstundenhilfe war nicht da. Und ich wusste nicht, ob Sie mich gehört hatten.«
    »Nein, habe ich nicht«, sagte ich und erwiderte sein Lächeln. Sicherlich hatte Bomstad einen Haufen Probleme, aber neben Lepinski erstrahlte er in funkelnder Normalität. »Tut mir leid, dass Sie warten mussten.«
    »Nein, nein, kein Problem. Keine Eile. Ich glaube, ich bin sogar etwas zu früh dran«, sagte er, lächelte entschuldigend und schloss die Tür hinter sich.
    »Also dann«, sagte ich und legte den Brieföffner mit leisem Bedauern wieder zurück, »guten Abend, Mr. Lepinski.«
    »War das der Bomber?«
    »Wie bitte?«
    »Das war doch Andy Bomstad, oder?«
    »Es steht mir nicht zu, Ihnen darüber Auskunft zu erteilen«, antwortete ich, aber ich muss zugeben, dass es wirklich guttat, mal einen Patienten zu haben, der für andere Dinge berühmt war, als auf den Rasen des Nachbarn zu pinkeln. »Bitte lassen Sie sich unser Gespräch noch mal durch den Kopf gehen.«
    »Warum ist er hier?«
    Ich ging um meinen Schreibtisch herum, um ihn zur Tür zu dirigieren. So, husch, jetzt aber raus, bevor ich dir den Daumen ins Auge steche. »Patientenbesuche sind vertraulich. Das wissen Sie doch, Mr. Lepinski.«
    »Beruflich oder privat?«
    Dirigieren hatte keinen Sinn. Höflich, aber bestimmt öffnete ich die Tür und dachte kurz darüber nach, ihn einfach wie dreckige Wäsche auf den Flur hinauszuwerfen. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich gute zehn Pfund schwerer war als er. Was nicht heißen soll, dass ich fett bin. »Guten Abend, Mr. Lepinski.«
    Er schien darüber nachzudenken, mir noch weiter auf die Nerven zu gehen, aber ein Blick auf Bomstads beeindruckende Erscheinung brachte ihn scheinbar dazu, seine Meinung zu ändern. Sein Mund klappte zu, er durchschritt forsch das Vorzimmer und verschwand in der Abenddämmerung. Seine quietschgelben Socken leuchteten wie Signalfeuer.
    Ich verbannte diesen kleinen verknitterten Mann aus meinen Gedanken und wandte mich mit einer gewissen Erleichterung meinem nächsten Patienten zu. Seine Jeans waren sogar gebügelt, und er trug italienische Schuhe.
    »Harten Tag gehabt?«, fragte er und schenkte mir ein Lächeln, das einen Mitbewohner von mir einst dazu gebracht hatte, ihn mit Tom Cruise zu vergleichen. Mein Mitbewohner hieß Brian. Eine ganze Weile hatte ich gedacht, ich würde ihn meiner Mutter als meinen Zukünftigen vorstellen - bis ich die
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