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Auszeit

Auszeit

Titel: Auszeit
Autoren: Marco von Münchhausen
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Regel ist dafür auch eine räumliche Trennung hilfreich.
In uns selbst gilt es nun, die verletzende Handlung des anderen einerseits und die persönlich erlittene Verletzung zu unterscheiden und voneinander getrennt zu sehen. Den eigenen Schmerz gilt es dann zu verarbeiten: ihn zu durchleben, zu erforschen und, soweit möglich, für sich zu heilen. Dies ist mit Sicherheit der schwierigste Schritt und bedarf, gerade bei schweren Verletzungen, sinnvollerweise der professionellen Unterstützung eines Coaches oder Therapeuten. Dennoch: Es ist ein Prozess, bei dem man viel gewinnen und seelisch unbewältigte Dinge aus der Vergangenheit verarbeiten kann.
Erst danach können wir mit unserer Aufmerksamkeit zur anderen Person zurückkehren und versuchen, soweit möglich, sie und ihre Handlungsweise zu verstehen. Und Verstehen hat mit Recht-haben-Wollen nichts mehr zu tun. Wenn Sie es schaffen, die andere Person intellektuell und womöglich sogar emotional zu verstehen, dann ist die Vergebung nicht mehr schwer. Hierbei geht es um einen Versuch, sich in den anderen hineinzuversetzen, seine Beweggründe und Sichtweise nachzuvollziehen, ja womöglich sogar Mitgefühl für ihn zu entwickeln. Verständnis und Mitgefühl sind gewissermaßen das Tor zur Vergebung. Und zwar unabhängig davon, ob die andere Person Einsicht und Reue zeigt oder sogar um Vergebung bittet – mag uns in diesem Fall das Verzeihen auch leichterfallen.
    Wohlgemerkt, Verzeihen ist keineswegs leicht. Ich selbst habe oft genug erfahren, wie schwer es mir fiel, jemanden innerlich zu »entlassen«, der mir Unrecht getan hatte. Und doch, wenn es mir gelang, ging es mir danach wesentlich besser. Versuchen auch Sie es, wenn es geboten ist: Es lohnt sich – um Ihrer selbst willen!

    |209| Fragen zum Nachdenken
Bei welchen Personen fiel es mir bisher am schwersten, ihnen zu verzeihen, und warum?
Habe ich schon die Erfahrung gemacht, was es bewirkt, jemandem wirklich zu vergeben, und wie ging es mir danach?
Wem möchte ich gerne verzeihen? Was hindert mich innerlich noch daran? Wie könnte ich diesen Schritt vielleicht doch schaffen?

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|211| Persönliches Wachstum
    Der Reifungsprozess der eigenen Persönlichkeit, das eigentliche innere Wachstum eines Menschen gehört zu den schwierigsten Herausforderungen im Leben. Es braucht Zeit dazu, viel Geduld, vor allem aber die innere Bereitschaft, sich weiterzuentwickeln, eigene Fehler zu sehen und sich diese einzugestehen, die Verantwortung dafür zu übernehmen und zu lernen, damit zu leben. Häufig geht es einem dabei wie in folgender Autobiographie in fünf Kapiteln des tibetischen Mönches Sogyal Rinpoche:
    1. Ich gehe die Straße entlang.
    Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
    Ich falle hinein.
    Ich bin verloren … Ich bin ohne Hoffnung.
    Es ist nicht meine Schuld.
    Es dauert endlos, wieder herauszukommen.
    2. Ich gehe dieselbe Straße entlang.
    Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
    Ich tue so, als sähe ich es nicht.
    Ich falle wieder hinein.
    Ich kann nicht glauben, schon wieder am gleichen Ort zu sein.
    Aber es ist nicht meine Schuld.
    Immer noch dauert es lange, herauszukommen.
    |212| 3. Ich gehe dieselbe Straße entlang.
    Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
    Ich sehe es.
    Ich falle immer noch hinein … aus Gewohnheit.
    Meine Augen sind offen.
    Ich weiß, wo ich bin.
    Es ist meine eigene Schuld.
    Ich komme sofort heraus.
    4. Ich gehe dieselbe Straße entlang.
    Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
    Ich gehe darum herum.
    5. Ich gehe eine andere Straße.
    Diese fünf Kapitel schildern metaphorisch sehr gut den psychologischen Prozess, der auf dem Weg des persönlichen Wachstums abläuft – man könnte sagen, dass auch dieser Prozess in fünf Stufen erfolgt:
Erste Stufe: Auf unserem Lebensweg tappen wir leicht in die Falle, automatisch bestimmten Reaktionsmustern zu folgen, die wir meist in früher Kindheit ausgebildet haben, als irgendetwas für uns »nicht gut gelaufen« ist oder wir innerlich verletzt wurden. Ohne dass wir es merken, kommt es dann später zu einer Überreaktion, bei der wir der festen Ansicht sind, jemand anderes trage die Schuld, und es dauert in der Regel lange, bis wir uns wieder beruhigt haben. Hat ein Mensch (nennen wir ihn Mr. X) beispielsweise als Baby immer wieder die schmerzhafte Erfahrung machen müssen, dass er nicht zur anstehenden Zeit gestillt wurde, obwohl er laut geschrien hat, dann könnte es sein, dass sich aus dieser schmerzhaften Erfahrung ein Muster
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