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Australien 01 - Wo der Wind singt

Australien 01 - Wo der Wind singt

Titel: Australien 01 - Wo der Wind singt
Autoren: Rachel Treasure
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Agrarindustrie ziehen würde, jene Industrie, die von jedermann als der wirkliche Herzschlag des Landes hätte erkannt werden müssen. Kate trank einen kräftigen Schluck von ihrem Rum und ließ ihren Blick über die Passagiere an Bord des Schiffes schweifen. Sie hörte noch die Stimme ihrer Mutter. »Es werden deine Kinder sein, Kate, die Farmer der Zukunft, die all diese Menschen retten werden. Noch ist es den Menschen nicht bewusst, aber es gibt nichts Wichtigeres als Nahrung. Die Farmer sind der Schlüssel zur Zukunft. Und du kannst daran teilhaben, wenn du willst.«
    An diesem Abend auf dem Schiff gab es nur eine einzige andere Stimme, die die ihrer Mutter in Kates Kopf übertönte. Es war mehr ein quälender Verdacht. Ein Verdacht, der sich tief in ihrem Körper bemerkbar machte. Der Verdacht, dass sie eine riesige Dummheit gemacht hatte. Sie dachte an die Schachtel, die sie in einer der Seitentaschen ihres Rucksacks verstaut hatte. Die Schachtel mit dem Schwangerschaftstest.
    Kate hatte ihr Glas geleert, dann ihren Rucksack geschultert und war an Deck gegangen, um die Kurzschwanzsturmtaucher zu beobachten, die über der schlammigen, dunklen Dünung der Bass Strait dahinhuschten. Als ihre Finger vom eisigen Wind ganz taub waren, hatte sie die schwere Tür aufgezogen und war mit schwankenden Schritten den Korridor des rollenden Schiffes entlanggegangen. Dann hatte sie sich in einer schaukelnden Toilettenkabine eingeschlossen, in der es noch ein wenig nach Erbrochenem roch, und den Schwangerschaftstest ausgepackt, um herauszufinden, ob das, was sie befürchtete, tatsächlich zutraf.
    Sie erinnerte sich jetzt noch an das erstickende Gefühl, das sie in der Toilettenkabine überfallen hatte und an das Rollen und Schlingern des Schiffes in der unerbittlichen Dünung. Sie hatte mit zitternden Händen die Folie von der Packung gerissen und das Plastikstäbchen herausgenommen. Als sie die zwei blauen Striche gesehen hatte, die ihr unmissverständlich »positiv« entgegengeschrien hatten, hatte ihre
ganze Welt zu schlingern begonnen. Sie war schwanger. Schwanger und allein. Sie hatte sich verzweifelt gewünscht, dass sie niemals auf diesen Rouseabout B&S-Ball gegangen wäre und dass sie niemals getan hätte, was sie getan hatte.
    Als am nächsten Morgen in aller Frühe eine ungeduldige Schlange von Autos, Wohnwagen und Lastern aus dem Bauch des Schiffes in Richtung des belebten Stadtzentrums vom Melbourne gerollt war, hatte Kate auf der Strandpromenade, die parallel zu dem braunen, frisch gerechten Strand verlief, an einer Telefonzelle angehalten. Sie hatte vor lauter Panik keinen klaren Gedanken fassen können, als sie ganz automatisch die Nummer ihres Vaters gewählt und dabei inständig gehofft hatte, dass Will abnehmen würde. Stattdessen hatte sich jedoch ihre Stiefmutter Annabelle gemeldet.
    »Ist Will da?«, hatte Kate gefragt.
    »Er ist unterwegs.«
    »Oh. Ist Dad da?«
    »Moment, ich hole ihn.« Kate hatte gehört, wie der Hörer abgelegt wurde. »Henry!«, hörte sie Annabelle dann rufen. Kurz darauf hatte sie die Stimme ihres Vaters vernommen.
    »Du bist also schon drüben auf dem Festland?«
    »Ja«. Kate hatte krampfhaft versucht, ihre Tränen zu unterdrücken. Sie hatte einfach nicht weitersprechen können. »Kate? Was ist los?« Die Stimme ihres Vaters hatte verärgert geklungen. Kate hatte sich vorgestellt, wie sein Kaffee gerade langsam kalt wurde, während sein Porridge, der neben der Tasse stand, allmählich zu einer zähen Masse erstarrte.
    Sie platzte heraus: »Ich bin schwanger.«
    Schweigen. Lange Zeit hörte sie über das Glasfaserkabel, das unter dem Grund des Meeres verlegt war, nur ein leises Klicken. Ein quälendes Schweigen lag über dem Wasser zwischen Melbourne und Tasmanien. Ein Schweigen, das direkt bis zum Ohr ihres Vaters reichte. Kate war sich sicher, dass er es nicht laut gesagt hatte, in ihrem Kopf aber schrie er: »Du dumme Gans! Ich wusste, dass du mir so etwas antun würdest! So eine verdammte Dummheit!«

    Als er endlich wieder zu sprechen anfing, sagte er ganz ruhig: »Was willst du tun?«
    »Ich weiß es nicht.« Sie wünschte sich verzweifelt, dass er ihr sagen würde, sie solle nach Hause kommen. Stattdessen hörte Kate ihn jedoch, den kalten Telefonhörer am Ohr und den Südwind im Rücken, etwas ganz anderes sagen.
    »Du fährst am besten wie geplant zu deiner Tante Maureen. Sie kann sich besser um dich kümmern als ich.«
    Kate wusste tief in ihrem Inneren, dass er das
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