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Australien 01 - Wo der Wind singt

Australien 01 - Wo der Wind singt

Titel: Australien 01 - Wo der Wind singt
Autoren: Rachel Treasure
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Farbton annahmen und sie den Unterkiefer vorschob.
    »Klein oder groß?«, fragte Kate gerade, als bereits ein eindeutiger Geruch von Nells Platz aufstieg.
    »Ach, Nell!«
    Kate stützte beide Ellbogen auf den Tisch und schlug die Hände vors Gesicht. Großer Gott, dachte sie. Wie konnte ihr Leben so aus den Fugen geraten?

Kapitel 2
    K ate warf einen bräunlichen Apfelrest aus dem Pick-up und fegte hastig mit der Hand die Überreste von Nells gestrigem Sandwich aus dem Kindersitz. Dann trat sie einen Schritt zurück und sah zu, wie ihre kleine Tochter in den Sitz kletterte und darauf wartete, dass sie angeschnallt wurde.
    Während Kate den Motor anließ, betrachtete sie Nell im Rückspiegel, bemerkte ihr ungekämmtes Haar und die wahllos zusammengestellte Kleidung. Ihr T-Shirt war mit Vegemite beschmiert. Kate seufzte. Was für eine Mutter war sie nur? Nell sah aus, als hätte sie den Tag im Kinderhort bereits hinter sich und nicht so, als würde sie gerade erst dorthin gebracht. Sie fuhr auf die Straße hinaus, dabei erinnerte sie sich an ihre Reise von Tasmanien auf das Festland vor drei Jahren. Ihre ungewollte Reise in die Mutterschaft. Das alles war nur wenige Wochen nach dem Rouseabout B&S-Ball gewesen. Sie hatte sich auf dem Weg zur landwirtschaftlichen Hochschule befunden und fuhr zum ersten Mal in ihrem schrottreifen kleinen Subaru-Pick-up aufs Festland. Damals hatte sie weder einen Kindersitz noch einen Pick-up mit Rückbank gebraucht.
    Kate hatte ihren Pick-up an einem schläfrigen Sommerabend durch die geöffnete Rampe in den Bauch des Schiffes gefahren. Auf dem nassen, glänzenden Deck hatte Kate zu den kirschroten Schornsteinen hinaufgesehen, die unablässig Dieselrauch in die frische Luft rülpsten. Zwei Stöße des Signalhorns, das Beben der im Rückwärtsgang arbeitenden Maschinen, und schon begann die Stadt Devonport langsam in die Ferne zu entschwinden. Die Menschen, die auf der felsigen Bühne standen und winkten, wurden schnell zu winzigen Punkten. Sie war traurig, dass niemand aus ihrer Familie gekommen war, um ihr zum Abschied zuzuwinken. Keiner von denen, die von ihrer Familie noch übrig waren.

    Sie erinnerte sich an die supercoole Art, mit der sie es sich auf einer der dick gepolsterten Couchen in der Bar des Schiffes bequem gemacht und an einem Rum genippt hatte. Dabei hatte sie den Nachgeschmack, den die mit städtischem Trinkwasser bereiteten Eiswürfel hinterließen, einfach nur abscheulich gefunden.
    Da war sie also. Ein Mädchen aus Tasmanien. Ein Mädchen vom Lande mit einem frischen Gesicht, das an der windgepeitschten Ostküste der Insel aufgewachsen war. Ein Mädchen, das bei der Arbeit Blundstone-Stiefel und in der Freizeit Cowboystiefel trug. Ein Mädchen mit einem betagten Kelpie, der im Hundetrailer der Fähre unten im Laderaum auf einer Decke lag. In der Nähe der Hunde war auch »Thelma« geparkt, Kates klappriger alter Subaru, dessen fleckiger Lack am Heck mit B&S-Aufklebern bedeckt war. Mehr hatte sie damals nicht gebraucht. Einen halbwegs zuverlässigen Pick-up mit einem ramponierten Beifahrersitz, auf dem Sheila sitzen konnte, und einer zerrissenen Abdeckplane, um wenigstens den größten Teil ihres Gepäcks auf der Ladefläche vor dem Regen zu schützen. Und einem funktionierenden Scheibenwischer, der allerdings vollkommen willkürlich über die Windschutzscheibe der Fahrerseite kratzte.
    Damals war sie zu einer Art Abenteuer aufgebrochen. Sie hatte die Erinnerung an den Tod ihrer Mutter verdrängt, hatte sich von ihrem Vater losgesagt und dessen neue Frau angebrüllt, bevor sie endgültig gegangen war. Sie hatte nur kurz innegehalten, um ihrem Bruder Will zum Abschied einen Kuss zu geben und um ihr Pferd Matilda noch einmal zu umarmen. Dann hatte sie einen letzen Blick auf die Farm geworfen. Bronty. Ihr Zuhause.
    Jetzt wartete Australiens Festland darauf, von ihr in Besitz genommen zu werden. Dort gäbe es B&S-Bälle und Jungs, und sie würde wilde, verrückte Tage und Nächte mit neuen Freunden erleben. Außerdem war sie geradezu versessen darauf zu lernen. Sie würde all das landwirtschaftliche Fachwissen in sich aufsaugen, das man ihr an der Hochschule vermitteln konnte, damit sie in die Fußstapfen ihrer Mutter treten konnte – einer Frau, die, jedenfalls was die Zukunft der Landwirtschaft anging, eine Vision gehabt hatte.

    Kate schwor sich, dass sie dort weitermachen würde, wo ihre Mutter Laney aufgehört hatte. Dass sie eine tiefe und dauerhafte Furche in die
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