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Aussicht auf Sternschnuppen

Aussicht auf Sternschnuppen

Titel: Aussicht auf Sternschnuppen
Autoren: Katrin Koppold
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überspringen. Und so sehr ich es auch versuchte: Ich konnte Nils nicht vergessen. Ein paar Male dachte ich darüber nach, ihn anzurufen. Aber wirklich nur kurz! Was hätte ich schon sagen können?
    Ich sprach mit niemandem über ihn. Aber ich kam auch gar nicht in die Verlegenheit. Meine Eltern und meine Schwestern merkten zwar, dass ich traurig war, aber sie schoben diesen Zustand meiner Trennung von Giuseppe zu und fragten nicht weiter nach. Sie versuchten lediglich, mich so unauffällig wie möglich von meinem Kummer abzulenken, indem sie in den ersten Wochen zu jeder erdenklichen Tages- und Nachtzeit vor meiner Tür auftauchten, um mir Gesellschaft zu leisten. Selbst mein Vater kam mich unter dem fadenscheinigen Vorwand besuchen, er müsse sich ein paar neue Hemden kaufen und ich solle ihn dabei beraten.

    Aber dann passierte im Spätsommer etwas, was die geballte Aufmerksamkeit von mir und auch Lillys Verlobung weg auf ein anderes Mitglied unserer Familie lenkte und was mein mühsam aufgebautes Gleichgewicht wieder ins Wanken brachte: Fee verkündete uns nämlich eines Sonntagnachmittags auf der Terrasse meiner Eltern, dass sie und ihr Freund Sam ein Baby erwarteten.
    „Ich wusste gar nicht, dass ihr eins haben wolltet“, sagte Mia unverblümt und biss in ein großes Stück Erdbeerkuchen.
    „Wollten wir auch nicht, aber es ist nun mal passiert und nun müssen wir das Beste daraus machen.“
    „Aber hast du überhaupt genug Geld für ein Kind?“, wandte Mia sich an den Kindsvater in spe, der etwas zerknittert in der Ecke saß und mittlerweile schon den dritten Espresso in sich hineinschüttete. „Du hast schließlich gerade deine Chance auf ein Leben in Saus und Braus hingeworfen, um ekelhaften, kleinen Rotzgören Rechnen beizubringen?“
    Er hatte sein Vorhaben nämlich tatsächlich in die Tat umgesetzt und fing nach den Sommerferien sein Lehramtsreferendariat an.
    Sam lächelte nur schwach und bestellte bei meiner Mutter noch einen vierten Espresso.
    „Bist du sicher, dass er sich auf das Baby freut?“, fragte Milla skeptisch, als er kurz auf der Toilette verschwunden war.
    „Natürlich. Er zeigt es nur nicht. Am Anfang war er natürlich etwas geschockt – wir hatten das Baby ja nicht geplant –, aber jetzt freut er sich.“
    „Man sieht es“, brummte Mia.
    Doch Fee beachtete sie nicht. „Er kommt morgen sogar mit in ein Babygeschäft. Wir wollen uns einen dieser schicken City-Kinderwagen ansehen, einen Buggaboo“, plapperte sie weiter. „Ihr wisst schon, den Kinderwagen, den auch Heidi Klum und Claudia Schiffer hatten. Ist das nicht aufregend?“
    Ich nickte bemüht begeistert, war aber von der Neuigkeit wie vor den Kopf geschlagen. Die Aussicht, einen kleinen Neffen oder eine kleine Nichte zu bekommen, war wirklich schön, aber Lilly verlobt, Fee schwanger, jetzt fehlte es nur noch, dass Mia einen festen Job annahm, und ich wäre endgültig die einzige von uns Schwestern, in deren Leben der Zeiger rückwärts statt vorwärts lief.
    Doch auch Mia war über die Babyneuigkeiten nicht gerade entzückt, denn sobald Fee und Sam unsere Kaffeerunde verlassen hatten, fing sie an zu lästern.
    „Ist sie nicht unglaublich? Fee wollte nie Kinder haben, aber nun stellt sie es so hin, als könne sie sich nichts Schöneres vorstellen, Babykacke an sich kleben zu haben und mit Brei vollgespien zu werden. Und das hohle Gerede von diesem Kinderwagen, ihr wisst schon, den, den auch Heidi Klum und Claudia Schiffer hatten.“ Sie äffte Fees Tonfall nach.
    „Was hast du von jemand erwartet, dessen Hamster Paris Hilton heißt und der nachts eine rosa Schlafbrille mit der Aufschrift „Prinzessin“ trägt“, meinte ich müde. „Du solltest nicht so streng mit ihr sein.
    „Du hast Recht“, lenkte Mia ein. „Sie kann nichts dafür. Dieser Job bei trend hat ihr das letzte bisschen Hirn rausgezogen.“
    Milla sah ihre zweitjüngste Tochter strafend an. „Fee hat wenigstens eine geregelte Arbeit.“

    Ein weiterer unangenehmer Nebeneffekt des Alleinseins war, dass ich nicht nur furchtbar oft an Nils, sondern auch furchtbar oft ans Essen dachte. Ich war immer schlank gewesen. Doch trotz meiner zahlreichen leerefüllenden sportlichen Aktivitäten sorgten Pizza, Pasta und Schokolade innerhalb weniger Monate dafür, dass ich nach und nach auseinanderging wie Popcorn in der Mikrowelle.
    Die körperliche Veränderung kam zunächst schleichend. Ich merkte, dass meine Blusen anfingen, in der Mitte unschön
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