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Ausser Dienst - Eine Bilanz

Titel: Ausser Dienst - Eine Bilanz
Autoren: Helmut Schmidt
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leise beendet und annulliert haben – zum Entsetzen der militärischen Führung (mit Ausnahme des Generalinspekteurs Ulrich de Maizière). Wären die Pläne publik geworden, wäre es zu einem entsetzten Aufschrei der Angst in der öffentlichen Meinung in Deutschland und zu großer Verstimmung in unserem Verhältnis zu den USA gekommen. Aus Verantwortungsbewußtsein hat niemand darüber berichtet.
    Ein anderes Beispiel war der Freikauf von Gefangenen aus der DDR, den Rainer Barzel als junger Bundesminister mit der DDR eingefädelt hatte und den alle nachfolgenden Bundesregierungen fortgesetzt haben. Auch davon haben einige Journalisten gewußt; hätten sie darüber berichtet, wäre Honecker öffentlich bloßgestellt worden und hätte die Praxis des Freikaufs unterbunden. Ein drittes Beispiel war die Geheimhaltung der Entsendung der GSG 9 nach Mogadischu, von der einige Journalisten durch Zufall erfahren hatten. Wenn sie darauf beharrt hätten, ihr Wissen in der Zeitung zu veröffentlichen, wäre die Befreiung des von islamistischen Terroristen gekaperten Flugzeugs gescheitert – mit tödlichen Folgen für sehr viele Menschen.
    Mancher Journalist neigt jedoch aus Geltungsbedürfnis oder zwecks Steigerung der verkauften Auflage und der Einschaltquote zu Grenzüberschreitungen. Dabei wird immer häufiger auch die Privatsphäre von Personen verletzt, die auf der öffentlichen Bühne stehen. Vor allem tendieren manche Massenmedien dazu, einen geringfügigen Anlaß zu einem Skandal aufzubauschen. Nach der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 konnte man erleben, wie einige Journalisten (und auch manche Politiker) sich darüber aufregten, daß der gerade eben aus dem Amt geschiedene Bundeskanzler Schröder ein Aufsichtsratsmandat im Bereich des russischen Gazprom-Konzerns angenommen hatte. Vielleicht hätte er damit noch ein oder zwei Jahre warten sollen, aber im Prinzip erschien mir die Aufregung abwegig.
    Ich selbst habe nach dem Ausscheiden aus dem Amt ohne Bedenken eine Reihe von Aufsichtsrats- und Beiratsmandaten übernommen. Bei den Beiräten handelte es sich um kanadische, amerikanische, belgische, saudi-arabische und deutsche Firmen mit zumeist erheblichem internationalen Ansehen; sie waren global tätig, und ihre Beiräte waren international zusammengesetzt. Man wurde um sein Urteil gebeten, man blieb persönlich unabhängig (die Honorierung war überall ganz bescheiden), man traf interessante Menschen und lernte nebenbei, wie ein multinationaler Konzern funktioniert, wie er funktionieren muß und warum Multinationalität notwendig ist. Auf diese Weise habe ich sowohl den Niedergang der PanAm (Pan American World Airways) miterlebt als auch den Aufstieg der weltweit tätigen Deutschen Handelsfirma Otto-Versand.
    Meine Aufsichtsratsmandate hatten verschiedene Ursprünge. Bei der tüchtigen Maschinenbaufirma Körber AG hat mich der Eigentümer-Unternehmer, mein Freund Kurt Körber, als Vertreter der Anteilseigner berufen. Gleichwohl habe ich mich einmal in einer Streitfrage zwischen Vorstand und Belegschaft auf die Seite der Belegschaft gestellt. Bei der Deutschen Airbus hatte mich der Senat der Stadt Hamburg als Anteilseigner entsandt. Ich erlebte dort, wie ein international tätiges Unternehmen durch eine Dollar-Abwertung in Mitleidenschaft gezogen wurde. Wir mußten auf dem internationalen Markt der Luftfahrtindustrie den Airbus gegen US-Dollar verkaufen; das letzte Flugzeug einer größeren Bestellung wurde erst nach einigen Jahren geliefert und bezahlt, aber inzwischen war der DM-Gegenwert des vereinbarten Dollar-Preises deutlich geringer als beim Abschluß des Liefergeschäftes. Die Löhne und Kosten hatte die Firma aber bis zum letzten Flugzeug in DM finanzieren müssen – also machte man einen Verlust. Ich sah mich in meiner Überzeugung bestätigt, eine umfassende, starke gemeinsame europäische Währung herzustellen; auch die bis dahin unzureichende privatwirtschaftliche Kurssicherung wurde neu geordnet.
    Bei der Volksfürsorge AG wurde ich von den Anteilseignern und der Belegschaft gemeinsam berufen. Ich habe dort zum wiederholten Mal erlebt – es war noch vor den amerikanischen Wirtschaftsprüfungsskandalen der New Economy–, daß ein Vorstand nur ungern die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wechselt, die ihn von Gesetzes wegen zu prüfen hat. Ich habe in drei Gesellschaften einen Wechsel der Wirtschaftsprüfer verlangt – allerdings in allen Fällen vergeblich. Inzwischen haben Aufsichtsbehörden und
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