Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausgerockt - [Roman]

Ausgerockt - [Roman]

Titel: Ausgerockt - [Roman]
Autoren: FUEGO
Vom Netzwerk:
zurück und dann wieder vor, um sich zu vergewissern, ob er auch richtig geguckt hatte.
    Dann dachte er gar nichts mehr.

Einer der Einträge bei Youtube lautete »Schwule auf dem Dach!«, wohl aufgrund der Annahme, dass sich zwei Männer vorsätzlich zu Girls Just Wanna Have Fun amüsiert hatten.
    Ein anderer Clip trug den Titel »Aktivisten in Bremen«, noch ein anderer lautete »Demo für die Farbe Schwarz.«
    Deutungen der Aktion waren bei Youtube darauf begrenzt, den Videomitschnitten jene mehr oder weniger geistreichen Überschriften zu geben und die Nutzer zum Kommentieren einzuladen.
    Die Medien hingegen spekulierten bundesweit, welche Bedeutung ein unbeschriebenes Transparent in Verbindung mit dem Song Girls Just Wanna Have Fun haben mochte. Während die meisten Zeitungen schnell die Lust an der Nachricht verloren, die Sache als chaotischen Linksaktivismus abtaten – die Bild schrieb von den Auswüchsen einer Hartz-IV-Verzweiflung – und schnell interessantere Schlagzeilen fanden und erfanden, deutete ein Journalist der S üddeutschen Zeitung fünf Tage später etwas in ihre Aktion hinein, das selbst Holger sich in seinen kühnsten Momenten nicht hätte ausdenken können.
    Als Brunssen den Laden betrat, kamen ihm ein paar junge Leute entgegen, die ausgelassen lachten und mit Plastiktüten hantierten.
    Er lehnte sich an den Tresen und wartete, bis sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte.
    »Was sehe ich da? Deine eigenen Tüten?«
    Linus verschränkte die Arme vor der Brust. Die überhebliche Macherpose. »Und es ist sogar gekaufte Ware drin.«
    Es waren beige Tüten mit einer schwarzen Fläche in der Mitte. Linus hatte sie billig im Internet erstanden. Es waren Fehlproduktionen.
    Auf der schwarzen Fläche hätte eigentlich ein Schriftzug stehen sollen. Lennard war bei Ebay auf die Tüten gestoßen und meinte, sie könnten an das Transparent am Gebäude der Baumwollbörse erinnern. Leeres schwarzes Transparent auf sandfarbenem Gebäude. Schwarze freie Fläche auf beiger Tüte. Linus fand die Idee gar nicht schlecht.
    Und besonders, nachdem Holger in einem Interview im Regionalfernsehen buten un binnen immer wieder Linus’ Laden erwähnt hatte, was die Kundenzahl zumindest vorübergehend erhöhte, hatte Linus sich eingebildet, man würde beim Anblick der Tüte vielleicht an die Aktion auf der Baumwollbörse denken.
    Natürlich erkannte niemand die Parallele. Man hielt seine Tüten einfach für das, was sie waren. Beige Tüten mit einem schwarzen Feld, auf dem ganz offensichtlich die Schrift fehlte.
    »Gib mir einen Kaffee«, sagte Brunssen. »Oder nein, einen Cappu.«
    »Was immer du willst«, sagte Linus. Er stellte eine Tasse unter den Automaten und schaltete ihn ein.
    »Wie macht Holger sich?«, fragte Brunssen.
    Linus sah zu, wie der heiße, dampfende Kaffee aus dem Automaten lief.
    »Erst mal haben wir vereinbart, dass er nur zweimal die Woche nachmittags, beziehungsweise bis abends arbeitet. Letzten Dienstag hat er fünfzig Euro eingenommen, weil er jedem, der hier rein kam und ein Autogramm haben wollte, CDs aufgeschwatzt hat. Und dann hat er allen den Artikel aus der Süddeutsche n kopiert und in die Tüte gesteckt, als Mahnung, wie er sagte.«
    »Ein Artikel in der Süddeutschen ? Zeig her.«
    Linus durchsuchte einen Stapel Zeitungen unter dem Tresen nach dem entsprechenden Kultur-Teil.
    Jana war auf den Artikel gestoßen, als schon keiner mehr damit gerechnet hatte, dass überhaupt noch etwas geschrieben würde. Sie war eine Woche nach der Aktion im Laden aufgetaucht, hatte grinsend die Zeitung hochgehalten und gerufen: »So, jetzt bin ich aber stolz auf dich!«
    »Jetzt wo ich berühmt bin, kommst du zurück«, hatte Linus geantwortet.
    »Schwule auf dem Dach? Meinst du die Art von Berühmtheit?«
    Linus hatte den Artikel gelesen und sofort nur noch einen Gedanken gehabt: Dieser Journalist bekommt einen Preis.
    Er bekommt den Preis für die erstaunliche, ja geradezu geniale Deutung eines eigentlich gar nicht deutbaren Ereignisses.
    Und Linus dachte: Was dieser Mann schreibt, muss die Wahrheit werden.
    Sofort hatte er Holger angerufen, ihm den Artikel vorgelesen und ihn darauf geeicht, zukünftig nur noch diese Version als Hintergrund ihrer Aktion zu verbreiten.
    Er hatte Holger schwören lassen. Und hatte ihn beschworen, niemandem zu verraten, was auf der richtigen Seite des Transparents gestanden hatte, beziehungsweise, dass es überhaupt eine richtige Seite gegeben hatte.
    Linus schob
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher