Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auserwaehlt

Auserwaehlt

Titel: Auserwaehlt
Autoren: Silke Nowak
Vom Netzwerk:
Garten arbeitete.
„Habt ihr die Bierdosen gesehen?“ Hagen deutete auf den Mülleimer neben der
Bank. Er quoll über vor leeren Flaschen und Dosen. „Wie sieht es mit der
Drogenkriminalität hier aus? Da wäre eine gepflegte, ältere Dame das ideale
Opfer, oder?“
„Aber das Einstichloch.“ Kranich schüttelte den Kopf.
„Würde mich nicht wundern, wenn da ein Fixer zugestoßen hätte.“ Es klatschte,
als Hagen mit der Faust in die hohle Hand schlug.
Clara rollte ihren Overall sorgfältig zusammen. Sie trug ein rotes Sommerkleid
mit Dekolleté. Auch das hatte es früher im Berliner Polizeidienst nicht
gegeben, dachte Kranich und sah vom Steglitzer Damm her drei Busse der
Bereitschaftspolizei anrücken. Gleich würde der ganze Park durchgekämmt werden.
„Das Opfer scheint sich nicht gewehrt zu haben.“ Teufel kam zu ihnen herüber.
„Fingernägel und Verletzungen sprechen gegen einen Kampf.“
Er blickte die Hauptkommissarin an. „Was meinst du, Margot?“
„Wir müssen die Obduktion abwarten.“ Sie sah auf die Uhr. „Es ist jetzt 7 Uhr
20. Schaffst du das heute noch?“
„Ich kann dir leider nichts versprechen.“ Gestern Abend war noch ein Säugling
eingeliefert worden, wahrscheinlich wurde er zu Tode geschüttelt. Dann war da
noch der alte Mann, von dem niemand wusste, was sich in seiner Wohnung abgespielt
haben könnte. Als Nachbarn die Polizei alarmierten, war er tot in seinem Bad
gelegen. Teufel tippte auf einen Herzinfarkt.
„An die Arbeit!“ Kranich ging auf die Schar wartender Polizisten zu.
Clara und Teufel blieben noch einen Moment stehen, ernst und in sich gekehrt,
als wollten sie der Toten die letzte Ehre erweisen. Die Leiche wurde in einem
Sack verstaut. Clara schloss die Augen, als jemand den Reißverschluss über
ihrem Gesicht zuzog.

3
    Der Stadtpark Steglitz grenzte im Südwesten an die Wohnanlage
'Am Eichgarten'. Eine weiße Fassade mit roten Streifen und dreieckigen
Balkonvorbauten prägte das Gesicht der unteren Stockwerke, darüber thronte eine
komplett verglaste fünfte Etage.
„Sind das Häuser?“ Clara deutete ganz nach oben. Auf dem lang gezogenen
Flachdach des Gebäudekomplexes schienen abermals Häuser zu stehen.
„Sieht so aus.“ Kranich drehte ihr Gesicht der Sonne zu, um die ersten Strahlen
aufzufangen. „Von da oben hat man sicher einen prima Blick.“
Die Anlage hatte 140 Wohnungen, was bedeutete, dass die Fahnder hier den ganzen
Tag beschäftigt sein würden. Zeugenbefragungen waren frustrierend und
zeitintensiv. Kranich war froh, dass sie sich die Perlen herauspicken konnte.
„Hildegard Osswald, 76 Jahre, wohnt in der Nummer 10“, hörte sie Clara.
Die alte Dame hatte vor einer halben Stunde einem der Beamten gesagt, sie habe
„eine wichtige Aussage“ zu machen, doch was genau, würde sie lieber „unter vier
Augen“ besprechen.
„Na dann.“ Clara klingelte an der Erdgeschosswohnung. Ein Mann Mitte 40 öffnete
die Tür. Er war nur mit einem T-Shirt und einer Unterhose bekleidet, die
schlaff an ihm herabhingen.
„Ja?“ Sein Gesicht war rötlich aufgequollen.
„Landeskriminalpolizei Berlin.“ Kranich hielt ihren Ausweis nach oben. „Wohnt
hier Frau Osswald?“
„Wie?“
„Frau Osswald.“
„Nein.“
Aus der Wohnung kamen Geräusche. Der Fernseher lief.
Die Tür gegenüber öffnete sich. Eine ältere Dame mit wachem Blick und sorgfältig
frisiertem Haar trat heraus.
„Sonst, noch was?“, fragte der Mann. Er roch nach Schweiß.
„Vielen Dank und entschuldigen Sie die Störung“, sagte Clara.
Die Tür knallte wieder zu.
„Ist das ihr Sohn?“ Kranichs Blick wanderte zwischen den Türschildern hin und
her. „Osswald“ stand auf beiden.
„Sie müssen entschuldigen.“ Die Dame wirkte verlegen. „Eigentlich ist er ein
lieber Junge.“
Clara nickte, als verstünde sie, und erntete dafür ein dankbares Lächeln, aus
dem noch mehr als die Verzweiflung die Hoffnung sprach, es möge endlich alles
gut werden.
„Kriminalhauptkommissarin Margot Kranich“, stellte Kranich sich vor. „Das ist
meine Kollegin Doktor Schwarzenbach. Dürfen wir reinkommen?"
Obwohl Margot nichts von Claras akademischer Vergangenheit hielt, stellte sie
Clara meist als „Doktor Schwarzenbach“ vor. „Meine Partnerin“ klänge zu
lesbisch, fand Margot, „meine Assistentin“ zu medizinisch und „Polizeihauptmeisterin“,
die sie offiziell war, absolut daneben.
Hildegard Osswald nickte ihnen zu. Auf ihrem Gesicht lag ein Netz harter Linien,
als sei es schon einmal
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher