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Auserwaehlt

Auserwaehlt

Titel: Auserwaehlt
Autoren: Silke Nowak
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zerbrochen und wieder zusammengesetzt worden. Kranich und
Clara folgen ihr durch einen schmalen Flur in ein gemütliches Wohnzimmer. Ein
Sofa aus rotem Samt, drapierte Vorhänge und eine Sammlung von afrikanischen
Holzmasken gaben dem Ganzen etwas Theatralisches. Der Tisch war gedeckt, ein
Teelicht brannte im Stövchen.
„Setzten Sie sich doch.“ Trotz ihres Alters trug sie die Haare tiefschwarz.
„Ich habe nicht mit zweien gerechnet, aber einen Augenblick bitte, ich hole nur
schnell ein drittes Gedeck.“
Clara nahm auf dem roten Sofa Platz. Kranich bevorzugte einen der beiden
Ledersessel, die gegenüberstanden.
„Die ganze Polizei heute Morgen.“ Hildegard Osswald balancierte einen Teller
mit Tasse ins Wohnzimmer. „Was ist denn nun genau passiert?“
„Im Grunde hätte ich es mir ja gleich denken können“, fuhr die Dame fort,
nachdem die Antwort ausblieb, und reichte Clara das dritte Gedeck.
„Danke“, lächelte Clara. Es klirrte. „Sehr liebenswürdig.“
„Frau Osswald“, rief Kranich laut, als sei die Dame schwerhörig. „Sie haben
gestern Abend etwas Verdächtiges bemerkt. Was genau?“
Die Dame schien sie nicht gehört zu haben. Sie schenkte Kaffee ein. „Zucker?
Milch?“
„Schön haben Sie es hier“, sagte Clara und betrachtete das Foto eines kleinen
Jungen an der Wand. Mit ausgebreiteten Armen segelte er über eine Blumenwiese.
„Danke“, entgegnete sie. „Sehr liebenswürdig.“
Trotz der Linien war ihr Gesicht noch immer schön. Die Dame war nicht zerbrochen,
sie hatte sich nur neu zusammengesetzt. „Also meine Schwester wohnt in der
Albrechtstraße, ich weiß nicht, ob Sie sich hier in der Gegend auskennen, das
ist gleich ...“
„Gleich da vorne, ich weiß“, nickte Clara. „Da haben sie doch erst vor Kurzem
einen neuen Supermarkt hingestellt.“
Die Dame nickte.
„Also, was haben Sie jetzt gesehen?“ Kranich klang, als würde sie jeden Moment
die Geduld verlieren, doch Clara wusste, dass ihr Handy schuld daran war. In
letzter Zeit stürzte das Ding immer wieder ab.
„Also gestern Abend, wir haben zusammen gegrillt, in der Albrechtstraße“,
erklärte die Dame und warf Kranich einen Blick zu, der klar machen sollte, was
sie von Leuten hielt, die dauernd mit ihrem Telefon herumspielten. „Es war ja
schönes Wetter, und da ich was tun muss, fürs Herz, Sie verstehen“, sie hielt
ihre Hand auf die Brust, „da bin ich mit meinem Sohn zu Fuß nach Hause
gegangen. Durch den Park.“
Sie machte eine Pause. Pflichtbewusst nahm Clara einen Schluck Kaffee.
„Auf der Anhöhe, kurz bevor es zum großen Teich runtergeht“, sagte sie und
plötzlich veränderte sich ihre Stimme. Missbilligend fuhr sie fort: „Da sitzen
die ja immer rum.“
„Wer?“ Clara schlug die Beine übereinander.
„Dass die Polizei da auch nichts dagegen unternimmt ...“
„Wer?“ fiel Kranich ein.
„Gestern saßen die also wieder da.“ Sie griff sich ans Herz. „Sonst wird man ja
immer angepöbelt, wenn man vorbeikommt, aber gestern waren die ganz mit sich
beschäftigt.“ Sie nahm einen Schluck Kaffee und wandte sich vertrauensvoll an
Clara. „Wissen Sie, meinem Sohn fehlt die Frau, aber er ist ein guter Junge, er
ist anders als diese ...“
Sie hob die Augenbrauen.
„Diese Asozialen.“
„Was für Asoziale?“ Kranich klang schroff. Die Dame blickte Hilfe suchend zu
Clara, doch Clara studierte die Blumen auf der Tasse in ihrer Hand. Das eigene
Kind zu schützen, war das eine. Aber die anderen dafür zu verachten, war etwas
anderes.
„Diese Männer haben kein Zuhause, sie haben keine Manieren, sie sitzen immer
nur rum, rauchen und trinken Bier oder weiß Gott was.“ Sie schüttelte den Kopf.
„Ganz zu schweigen von der grässlichen Musik und dem ganzen Müll ...“
Sie verschwendeten ihre Zeit, dachte Clara, und sah Frau Osswald an. Plötzlich
fand Clara das Gesicht der alten Dame weniger schön.
„Ich verstehe einfach nicht, warum die ausgerechnet in unserem Park sitzen
müssen!“
Clara blickte unauffällig in ihr Dekolleté und zog das Kleid etwas nach oben.
„Und dann die Katzen, die hier in der Gegend verschwunden sind, damit haben die
auch zu tun, wahrscheinlich irgendwelche Teufelsbeschwörungen.“
„Was für Katzen?“ Kranich sah interessiert aus.
„Deshalb sind Sie doch hier, nicht?“ Die Dame setzte sich auf. „Gestern Nacht
haben diese Leute sich also über etwas hergemacht. Es war eine Damenhandtasche.“
„Eine Damenhandtasche?“ Clara sah zu Margot.
„Eine
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