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Auserkoren

Titel: Auserkoren
Autoren: PeP eBooks
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Geländewagen rammt uns von der Seite.

    Wir kommen ins Schleudern. Noch mehr Bücher fallen aus den Regalen. Die Schluckspecht-Tasse kippt um, Flüssigkeit spritzt auf mein Kleid und auf meine Beine.
    Ich mache die Augen ganz fest zu. »Oh Gott, liebster Vater. Bitte hilf uns. Bitte lass uns dorthin kommen, wo wir sicher sind.« Meine Fäuste sind so fest zusammengeballt, dass die Fingernägel in die Handflächen schneiden. Der Sicherheitsgurt drückt schmerzhaft gegen meine Rippen.
    Der Geländewagen rammt uns schon wieder. Die Bilder von Emily und Nathan fallen zu Boden.
    Patrick tritt auf die Bremse, und das Auto, das hinter uns fährt, kracht in uns hinein. Wir schleudern, kommen von der Straße ab, mit dem Heck zuerst. Staub wirbelt auf. Ich will schreien, aber es ist nur ein ersticktes Gurgeln. Der Wagen kommt am Straßenrand zum Stehen und kippt um. Und dann rutscht er in den Graben. Überall fliegen die Bücher umher. Patrick und ich sitzen in der Falle. Und ich habe immer noch keinen Empfang auf dem Handy.
    Patrick hängt über mir, sein Sicherheitsgurt hält ihn dort. Er macht sich frei. Ich liege auf der Tür. Er blutet. Blut rinnt über sein Kinn, tropft auf mein Gesicht und auf das Fenster neben mir.
    »Tut mir leid«, sagt er. Und dann: »Verstecke das Telefon. Wenn sie uns hier rausholen, musst du weglaufen, Kyra. Und im Regal bei K liegt noch ein zweiter Schlüssel.«
    »Wie?«

    Patrick antwortet nicht und ich kann gerade noch das Telefon verstecken. Dann holen sie uns beide.
    Wir liegen auf den Knien. Sie haben uns die Hände auf den Rücken gebunden. Mit gesenkten Köpfen kauern wir im Straßenstaub. Die Nachmittagssonne brennt.
     
     
    Bruder Felix bringt mich im Polizeiauto weg. Während wir losfahren, sehe ich Patrick. Sie treten immer und immer wieder auf ihn ein. Ich sehe, wie er auf die Seite fällt. Einer der Männer zerrt ihn wieder auf die Knie.
    Ich höre nicht auf zu schreien. Nicht einmal dann, als der Sheriff mich auf den Mund schlägt und meine Lippen wieder aufplatzen. Aber ich kann nicht aufhören, nach Patrick zu schauen, den ich durch die Staubwolke, die wir aufwirbeln, immer wieder aus den Augen verliere. Ich schaue und schreie seinen Namen.
    Sehe zu, wie sie ihn umringen.
    Sehe zu, bis ich ihn nicht mehr sehen kann.
    Was habe ich nur getan?
    Klebt jetzt noch mehr Blut an meinen Händen?
    Lieber Gott. Was habe ich getan?
     
     
    »Er ist der Prophet, das weißt du doch, oder nicht?«
    Ich blicke Sheriff Felix nicht an. Ich weigere mich, ihn anzusehen. Ich schaue nicht zu ihm, ich ignoriere ihn einfach, ich hasse ihn, ich hasse ihn abgrundtief.
    Stattdessen blicke ich aus dem Fenster, dorthin, wo Patrick zuvor gewesen war. Ich strenge die Augen an, um
hinter dem Nichts, das jetzt dort ist, etwas zu erkennen. Wir sind schon zu weit weg. Wir sind auf dem Rückweg. Auf dem Rückweg.
    Ich schaue, und ich stelle mir vor, dass er da ist.
    Patrick geht es gut, es geht ihm gut. Ich sehe, wie er auf die Füße kommt, wie er dasteht, sich freikämpft. Ich wende meine Augen nicht von der Stelle, an der er jetzt sein könnte. Er ist in der Rollenden Bibliothek von Ironton, stellt sie wieder auf die Räder. Fährt weg, um mich zu retten.
    »Hörst du mich, Kyra?«, fragt Bruder Felix.
    »Ja«, sage ich.
    »Der Prophet hat Zeugnis abgelegt«, sagt Bruder Felix. Vor Rührung ist seine Stimme heiser.
    Jetzt schaue ich ihn an.
    Er sieht zu mir her, in seinen Augen sehe ich Tränen.
    »Ich weiß, dass er herrscht. Dass er mit Jesus gemeinsam herrscht.«
    Hinter mir, was geht dort vor?
    Ich verschließe meine Ohren vor Bruder Felix.
    Dann schließe ich auch die Augen.
    Und dann fange ich an zu beten.
    Lieber Gott. Lieber Gott. Bitte, hilf ihm. Lieber Gott, lass dieses Gebet nicht zu spät kommen. Bitte, beschütze ihn. Bitte, um Nathans willen. Um Emilys willen. Um meinetwillen.
     
     
    Sie tun mir nichts .
    Sie krümmen mir kein Haar.

    Sie bringen mich nach Hause zu meinem Vater und sagen: »Pass auf sie auf.«
    Später kommt Mutter Claire. »Mach das nie wieder, Kyra«, sagt sie. Sie ringt die Hände, was sie sonst nie tut. »Sie haben dich schon einmal geschlagen. Ich wundere mich, dass sie es diesmal nicht getan haben.« Sie beißt sich auf die Unterlippe. »Ach, mein Kind«, sagt sie, »ich habe ein ungutes Gefühl. Ein ganz ungutes Gefühl. Versprich mir, dass du das nie wieder tust.«
    Vor lauter Angst bleibt mir die Spucke weg. Die Zunge klebt mir am Gaumen. Ich kann ihr keine Antwort
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