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Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)

Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)

Titel: Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)
Autoren: Stephan Harbort
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Erziehungsberechtigten, mehrjährige Verweilzeiten in Erziehungsheimen oder bei Pflegeeltern und eine fehlende Vorbildfunktion der Eltern sind ungünstige Rahmenbedingungen, die Kinder und Jugendliche während der sensiblen Reifezeit vor große Probleme stellen, empfänglicher machen für normabweichende Grundhaltungen und eine positive Entwicklung beeinträchtigen können. Nur lässt sich anhand dieser Faktoren eben nicht zwanglos herleiten, warum nur die allerwenigsten Menschen mit gravierenden Problemen in der Primärfamilie irgendwann abdriften und mordlüsterne Vorstellungen bzw. Bedürfnisse entwickeln.
    Anders liegen die Dinge, wenn der Fokus auf das Sozialverhalten der Täter gerichtet wird. In diesem Kontext sind zwei Grundpositionen zu beobachten, die sehr unterschiedlich sind, aber auf der Metaebene wieder zusammengeführt werden können. Entweder sind die Täter verschroben wirkende, überangepasste Einzelgänger, oder aber sie leben als chronische Missachter von Normen und Rechtsbrecher jenseits der sozialen Ordnung. Bei unterschiedlicher inhaltlicher Ausschärfung verbindet beide Lebensmodelle indes die größtenteils selbst gewählte Außenseiterposition und die damit verbundene Verhaltensauffälligkeit.
    Noch deutlicher wird dieser innere Zusammenhang, wenn man berücksichtigt, dass nahezu alle Täter ein lediglich marginal ausgeprägtes Selbstwertgefühl entwickeln und unter ihrem sozialen Status, ihrer vermeintlichen Bedeutungslosigkeit, leiden. Man könnte die Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens darum nicht nur als pathologisches Verhalten verstehen oder deuten wollen, sondern unter Umständen als soziologisch determiniertes.
    Jeder Mensch benötigt neben anderen Voraussetzungen ein gesundes und gesichertes Selbstwertgefühl, um für die Aufgaben des Alltags, aber auch für besondere Herausforderungen des Lebens gerüstet zu sein. Diese Ich-Stärke wird niemandem in die Wiege gelegt, sie muss von Kindern und Heranwachsenden mühsam erworben, erstritten oder erkämpft und gepflegt werden. Wer ein schwaches Selbstwertgefühl hat, dem gelingt es nur schwer und viel zu selten, widersprüchliche Erfahrungen, Enttäuschungen, Zurücksetzungen oder Kränkungen zu akzeptieren und in das Selbstbild zu integrieren. Die Konsequenz daraus ist eine zutiefst widersprüchliche Existenz, eine scheinbar unüberwindbare Kluft zwischen Sein-sollen und Sein-wollen, eine ausgeprägte Identitätsunsicherheit. Es mangelt an einem gewachsenen und wehrhaften Selbstkonzept, die Präsentation der eigenen Person und Persönlichkeit misslingt.
    Erfolgserlebnisse in unterschiedlichen Lebensbereichen, positive Erfahrungen mit der sozialen Umwelt und mit sich selbst, aber auch die wiederkehrende Selbstbestätigung sind Basiselemente für ein stabiles Selbstbild und Ich-Gefühl. Menschen mit dieser sozialen Konstitution und Einbindung besitzen zweifellos Fähigkeiten, um sich auch in sozialen bzw. zwischenmenschlichen Konflikten behaupten und durchsetzen zu können und werden – dieser Erfahrungswert darf als gesichert gelten – vergleichsweise selten verhaltensauffällig oder delinquent.
    Ein schwaches Selbstbewusstsein und eine schwankende Selbsteinschätzung fördern die Neigung, sich der andernfalls drohenden Stigmatisierung als Schul-, Berufs-, Beziehungs- oder Lebensversager zu entziehen (Einzelgängertum) oder das als feindselig empfundene und erlebte soziale System zu negieren und eine scheinbar unabhängige, radikale Position zu beziehen (Dissozialität). Am Ende dieser Entwicklung stehen entweder Bindungs- oder Haltlosigkeit, in jedem Fall aber Orientierungslosigkeit. Und genau diese Formen des sozial abweichenden Verhaltens sind charakteristisch für Täter, denen es bei ihren Morden in erster Linie oder ausschließlich um die bloße Vernichtung eines Menschenlebens geht. Die Taten haben eben keinen übergeordneten Zweck, sondern beseitigen allein die soziale Existenz des Opfers, die der Täter zerstört, glaubt, vernichten zu müssen, weil sie für ihn letztlich unerreichbar bleibt und eine fortwährende Provokation darstellt. Insofern könnte tatsächlich eine unterschiedlich ausgeprägte Kausalität zwischen dem sozialen Status des Täters und seiner Zielrichtung bestehen.
    Die Motivation, zu töten, lässt sich im Wesentlichen auf zwei Bedürfnisse zurückführen, die unterschiedlicher Natur sind und nicht nur das tatbezogene, sondern auch das künftige Verhalten des Täters maßgeblich beeinflussen.
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