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Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)

Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)

Titel: Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)
Autoren: Stephan Harbort
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Am häufigsten darf die Mordlust als emotionales und seelisches Stimulans verstanden werden, als besonderer Kick, den sich der Täter erhofft. In diesen Fällen ist ausnahmslos eine genau dieses Thema betreffende Fehlentwicklung zu beobachten, die sich regelmäßig über Jahre erstreckt und mit entsprechenden Phantasien verbunden ist oder wiederkehrenden, eher diffus erlebten, kaum oder gar nicht beherrschbaren Erregungszuständen.
    Ich gebe ein Beispiel: Erstmals verspürt er den Drang, einen Menschen zu töten, als er zehn oder elf Jahre alt ist. Ausgeguckt hat er eine junge Frau aus der Nachbarschaft. Sein Plan sieht vor, das Opfer zu erstechen. Doch es passiert nichts dergleichen, weil das Bedürfnis so überraschend schnell verschwindet, wie es gekommen ist. Erst Jahre später meldet sich dieses angenehm-unangenehme Gefühl wieder, als er in einer Diskothek eine 22-jährige Studentin kennenlernt, sie aber zwei Stunden später nach Hause geht, ohne ihn, grußlos. Er folgt ihr, läuft hinterher, stürzt sich von hinten auf die Frau und würgt sie, weil er den Drang, zu töten, nicht mehr zurückweisen kann oder will. Das Opfer wehrt sich heftig und kann schließlich fliehen. Als er sieht, wie die Frau davonläuft, wird er »wach«. Auch die Mordlust ist nun »weg«.
    Anderthalb Jahre später, er hat zu der Zeit eine Freundin, macht sich dieser Tötungsdrang wieder bemerkbar, als er in der Küche steht und Geschirr abspült. Er versucht zunächst, die Gedanken, eine Frau umzubringen, zurückzudrängen, aber irgendwann sitzt er doch in seinem Auto, schwitzend, zitternd, suchend, verlangend. Warum, weiß er nicht, jedenfalls spürt er den Drang irgendwann nicht mehr, vielleicht, weil er sich auf das Autofahren konzentrieren muss, und fährt unverrichteter Dinge zurück in seine Wohnung. Ähnliches wiederholt sich in unregelmäßigen Abständen. Erst als er 28 Jahre alt ist, tötet er eine Frau, danach noch eine, schließlich eine dritte.
    Mörder wie er brauchen lange, um sich erstmals an ein Opfer heranzuwagen, sich die Tat zuzutrauen und die Rolle des Täters konsequent auszufüllen. Diese Form der sogenannten Progredienz ist typisch und der Grund dafür, dass der Tötungswunsch im Laufe der Zeit verinnerlicht wird und sich zu einem unrhythmisch aufflammenden, bedeutsamen Bedürfnis entwickeln kann. Gleichzeitig beinhaltet eine solche Fehlentwicklung aber auch die Gefahr der Tatwiederholung, weil die Mordlust einerseits als ekstatischer Zustand erlebt wird und andererseits durch die Tatvollendung die ihr zugrundeliegende Ursache nicht beseitigt wird.
    Anders hingegen liegen die Dinge bei solchen Tätern, die den Tötungsakt selbst nicht mit starken Emotionen verbinden, sondern in aller Regel mit genau diesen beiden Fragen: Wie ist das wohl? Schaffe ich das? Motivrelevant ist hier nicht der Drang, einen Menschen zu töten, um sich daran zu ergötzen, sondern pathologisch eingefärbte Neugier. Dementsprechend entfällt in diesen Fällen das Bedürfnis bzw. die Notwendigkeit einer Wiederholung, weil die Neugier final befriedigt werden kann. Ähnlich ist es bei Tätern, die aus einer vergleichbaren Motivation heraus morden, beispielsweise, weil sie die Tötung eines x-beliebigen Menschen als sportliche Herausforderung betrachten. Oder als mutprobenartigen Nervenkitzel, den es auszuhalten gilt.
    Die hohe Emotionalität der Täter spiegelt auch ihr Verhalten wider. Während bei gewöhnlichen Tötungsdelikten etwa 50 Prozent der Opfer mit dem Leben davonkommen (belegt durch jährliche Statistiken des Bundeskriminalamts), ist die Überlebensquote bei Taten aus Mordlust sehr gering, eigentlich nicht vorhanden. Denn bei den von mir untersuchten Taten überlebte nur eine junge Frau, und auch nur deshalb, weil der Angreifer irrig annahm, er habe das Opfer bereits getötet. Die Zielstrebigkeit und Erbarmungslosigkeit der Täter sind fraglos sichere Kennzeichen der Mordlust.
    Als Tatwaffen werden Messer und Pistole favorisiert, die Opfer erleiden regelmäßig multiple Verletzungen, gewöhnlich dauert eine solche Tat länger als eine halbe Stunde. In jedem zweiten Fall kommt es zu einem »Overkill«, es wird also wesentlich mehr Gewalt angewendet, als zur bloßen Tötung notwendig wäre. Diese bedrückenden Erkenntnisse sind Beweis für die hochabnorme Emotionalität und Maßlosigkeit der Täter, die den Tötungsakt in ihrem Sinne gestalten, mitunter zelebrieren, um das eigene Empfinden zu steigern oder überhaupt erst spüren
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