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Aus Notwehr! - Aus Notwehr! - For a House Made of Stone. Gina's Story

Titel: Aus Notwehr! - Aus Notwehr! - For a House Made of Stone. Gina's Story
Autoren: Gina French
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Leben leichter zu machen. Ich liebte sie beide so sehr, und ich wollte nicht, dass sie getrennt waren. Manila war mit dem Bus zwölfeinhalb Stunden entfernt - für mich so weit wie das andere Ende der Welt. Ich fühlte mich absolut hilflos.
    Die Tante, die schon Sonia angeschwärzt hatte, freute sich immer, wenn sie in Papas Familie Ärger machen konnte; vielleicht war sie ja aus irgendeinem Grund eifersüchtig. Der Unfrieden, den sie wegen Sonia gestiftet hatte, hatte sich jedenfalls als überaus erfolgreich erwiesen, und als mein Vater mit seiner Tasche nach Manila fuhr, musste Mama sich allein um die untröstliche Sonia kümmern.
    Eines Morgens, als Mama in Sorsogon war, um Bananen zu verkaufen, weckte Sonia mich auf. Sie hatte sich ein Hemd um den Kopf gewickelt, was sehr seltsam aussah, und gab mir einen kleinen Beutel mit etwas, das ich wegwerfen sollte. Ich hatte zuerst keine Ahnung, was es war, aber ich bekam es mit der Angst zu tun, als ich das Blut an ihren Händen sah.
    »Pst«, befahl sie mir, »sag Boy oder den anderen nichts, sie dürfen das nicht wissen.«
    Es stellte sich heraus, dass sie sich in einem Wutanfall ihr ganzes Haar mit einer verzinkten Schere abgeschnitten hatte, wobei sie sich Stücke der Kopfhaut mit herausgerissen hatte. Als Mama nach Hause kam, hatte ich solche Angst, dass ich alles ausplauderte, und sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.
    Auf den Philippinen ist es Tradition, dass ein junger Mann die Eltern des Mädchens besucht, dem er den Hof
macht, und auf jede erdenkliche Weise seine Hilfe anbietet. Leonardo war so verliebt, dass er nicht so leicht aufgeben wollte, und er kam nur zu gern jeden Tag vorbei, um meiner Familie zu helfen, zumal er nicht weit weg wohnte. Aber Sonia hatte jetzt Angst, ihn zu sehen, da sie ja ihren Kopf so übel zugerichtet hatte.
    »Du wirst dich immer unter dem Bett verstecken müssen, wenn er zu uns kommt«, sagte Mama zu ihr. »Wir sagen ihm einfach, dass du nach Manila gegangen bist.«
    In einer kleinen Gemeinde wie der unseren konnten wir allerdings auch nicht riskieren, dass jemand anderer Sonia sah, für den Fall, dass er Leonardo davon erzählte, und so verbrachte meine Schwester die nächsten drei Monate fast ausschließlich unter dem Bett und wartete, dass ihr Haar wieder wuchs. Manchmal kam sie nicht einmal zu den Mahlzeiten hervor, weil meine Cousinen mit mir im ganzen Haus spielten. Wir sagten nicht einmal den Jungs, dass sie da war. Offiziell war sie in Manila. Unsere Verwandten mussten aber Verdacht geschöpft haben, weil sie sich nämlich ans Haus heranpirschten und versuchten, durch die Fensterläden zu spähen, um uns auszuspionieren.
    Leonardo ließ sich durch den vorübergehenden Rückschlag jedoch nicht abschrecken und kam weiterhin vorbei, um seine Hilfe anzubieten.
    »Du darfst nicht mehr kommen«, fauchte Mama ihn an. »Die Leute meinen sonst noch, dass du mir und Sonia den Hof machst, wo sie und ihr Vater doch weg sind.«
    »Ist schon in Ordnung, Mama«, sagte er mit einem unschuldigen Lächeln, »ich will ja nur helfen.«
    Er war wirklich ein netter Bursche; er brachte mir oft Süßigkeiten mit und war so offensichtlich in meine Schwester verliebt, dass ich mich schließlich seiner erbarmte.
Einer Tüte Süßigkeiten hatte ich noch nie widerstehen können.
    »Wo ist Sonia hin?«, fragte er mich eines Tages, nachdem er mir die Tüte, die er mitgebracht hatte, geschenkt hatte.
    »Du darfst keinem was sagen«, flüsterte ich kauend, »aber sie versteckt sich unter dem Bett. Du musst bloß abwarten, bis sie hervorkommt. Sag keinem, dass ich dir das verraten habe, sonst bringen sie mich um.«
    Er war so ein netter Bursche, dass er nie ein Wort verlauten ließ. Er kam weiterhin zu Besuch und erledigte alle möglichen Arbeiten im Haus, bis Sonia sich traute, wieder ans Tageslicht zu kommen - als ob sie gerade aus dem Bus aus Manila gestiegen wäre.
    Das andere Problem war, dass Papa von seinen Verwandten erfahren hatte, dass seine älteste Tochter angeblich in der Stadt war. Er schrieb immer wieder und erkundigte sich, wo Sonia wohne, denn er wollte sie besuchen. Mama musste sich ständig neue Ausreden einfallen lassen, um ihm nichts zu verraten.
    Ein Jahr später wurden meine Gebete erhört, und Papa kam nach Hause zurück; er wirbelte mich durch die Luft, als ich hinausrannte, um ihn zu begrüßen. Alles, was man uns gesagt hatte, waren Lügen gewesen. Er war zwar wirklich in Manila gewesen und hatte als Arbeiter für
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