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Aus Notwehr! - Aus Notwehr! - For a House Made of Stone. Gina's Story

Titel: Aus Notwehr! - Aus Notwehr! - For a House Made of Stone. Gina's Story
Autoren: Gina French
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wenn es nie irgendwelche Süßigkeiten gab, die wir Kinder uns so sehnlich wünschten. Unser Essen war einfach, und wir blieben damit die meiste Zeit gesund. Im Vergleich zu den meisten anderen Leuten besaßen wir aber natürlich fast nichts. Wir hatten einfach Glück, dass wir nicht in einem Teil der Welt wohnten, wo regelmäßig Dürren oder Überschwemmungen auftraten, sonst hätten wir hungern müssen. Die Natur, in der wir lebten, war gnädig mit uns und fütterte uns durch.
    Unser Essen bestand größtenteils aus Fisch und grünem Gemüse. Einmal die Woche, am Wochenende, versuchte unsere Mutter, Fleisch zu kaufen, vor allem Schweinefleisch. Wenn wir uns das nicht leisten konnten, schlachteten wir ein Huhn oder eine Ente. Das Geflügel - und die Echsen - waren das einzige Fleisch, das wir uns regelmäßig leisten konnten, und wir mussten es uns sorgsam einteilen. Unsere Mutter schlachtete nie mehr als ein Tier auf einmal, und sie zerlegte es dann so, dass wir alle davon zu essen hatten, auch sie und Vater. Im Westen würde so ein Vogel nicht einmal eine Mahlzeit für so viele Personen abgeben, aber sie war schlau und zerteilte das Fleisch
in ganz kleine Stückchen, kratzte auch noch den letzten Rest von den Knochen ab und ließ einfach nichts verkommen. So bekam jeder seinen Anteil.
    Manchmal, wenn es etwas zu feiern gab, einen Geburtstag zum Beispiel, aßen wir einen der Hunde. Für Gefühlsduseleien war kein Platz - bei keinem Tier. Hunde schmeckten gut, aber ich glaube nicht, dass ich es jetzt noch über mich bringen könnte, einen zu essen. Manchmal, am Wochenende, schauten wir uns einen Hahnenkampf an; die Erwachsenen brüllten und schrien dann immer vor Aufregung, wenn das Blut spritzte und die Federn flogen. Sie schlossen Wetten ab und stachelten die Vögel an, einander noch brutaler anzugreifen, bis dann schließlich einer davonstolzierte, nachdem er seinen Gegner vernichtet hatte - mitgenommen, aber trotzdem als Sieger. Die Erwachsenen sagten, das Spektakel würde ihnen helfen, ihre Probleme eine Weile zu vergessen.
    Um ein bisschen Geld nebenher zu verdienen, brachte unsere Mutter Bananen, Ananas, Guaven, Yams und Kokosnüsse in die Stadt, um sie dort zu verkaufen. Sie kam dann immer mit getrocknetem Fisch zurück, von dem wir tagelang aßen, aber nie mit Süßigkeiten oder schönen Kleidern oder Schuhen. Das war ganz in Ordnung so, wir verstanden das. Das Leben war dennoch gut, trotz dieser kleinen Enttäuschungen. Frischen Fisch gab es selten, da wir keine Möglichkeit hatten, ihn kühl zu lagern; sonst hätten wir ihn ja noch am gleichen Tag, an dem Mutter ihn mitbrachte, aufessen müssen. Und das hätte bedeutet, dass es für den Rest der Woche kein Protein mehr gegeben hätte. Einmal stahl eine der Katzen unseren Vorrat an Fisch für die ganze Woche, und Mutter bekam einen Wutanfall und brachte sie um.

    »Wir müssen sie essen«, sagte sie zu uns, als wir zusahen, wie sie den knochigen Körper häutete, »sonst haben wir ein Jahr lang Pech.«
    Ich verstand nicht, was es Schlimmeres geben könnte, als Katzenfleisch essen zu müssen; es schmeckte Ekel erregend.
    Die Philippinen bestehen aus rund siebentausend Inseln, von denen allerdings bloß an die siebenhundert bewohnt sind. Die beiden größten sind Luzon und Mindanao. Wir lebten auf Luzon, wo sich auch die Hauptstadt Manila befindet. Ich hörte Geschichten von dieser weit entfernten Stadt mit all ihren Chancen und Gefahren, konnte mir aber nicht vorstellen, wie es dort aussah.
    Sicher hätte jeder, der meine idyllische Kindheit vom Standpunkt der westlichen Welt aus betrachtete, erkannt, dass meine Eltern mehr als genug Probleme hatten. Aber ich mit meinen fünf Jahren, die ich barfuß in dem alten Holzhaus und draußen im fruchtbaren Dschungel herumrannte und so tat, als würde ich im Haushalt mithelfen, fand an unserem Leben nichts auszusetzen. Wir aßen und schliefen und arbeiteten, um das Haus sauber zu halten und um etwas zu essen auf dem Tisch zu haben, das schien mir schon mehr als genug. Andere Verwandte, auch meine Großeltern, Tanten, Onkel und Cousinen, wohnten in Häusern in der Nachbarschaft, und so war immer jemand da, mit dem man sich unterhalten oder spielen konnte. Wir hatten alle die gleiche Geschichte und sahen der gleichen Zukunft entgegen.
     
    Erst mit der Zeit erkannte ich die Schwierigkeiten, mit denen meine Eltern zu kämpfen hatten, und die Verbitterung und Zerstrittenheit der älteren Familienmitglieder.
Meine
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