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Aus Notwehr! - Aus Notwehr! - For a House Made of Stone. Gina's Story

Titel: Aus Notwehr! - Aus Notwehr! - For a House Made of Stone. Gina's Story
Autoren: Gina French
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als mich meine Mutter in der Stadt allein ließ, um ein paar Kanister Gas für unsere Lampen zu kaufen, brach ich in Tränen aus, denn ich hatte solche Angst, dass die Männer mit dem Blut an den Händen mich holen kommen würden.
    An meinem ersten Schultag konnte ich auch nicht aufhören zu weinen. Ich wollte die vertraute kleine Gemeinschaft, in der ich aufgewachsen war, nicht verlassen. Ich wollte mich nicht von meiner Mutter trennen und in einem Zimmer voller Fremder bleiben, die mich alle anzustarren schienen. Mama, die wie immer von meinen sinnlosen Tränen irritiert war und mit ihrem Tagwerk fortfahren wollte, kniff mich fest unter dem Arm, damit ich den Mund hielt.
    Meine Ängste sollten sich jedoch als durchaus begründet erweisen, denn es dauerte nicht lange, bis die Großmäuler meine Verletzlichkeit spürten und anfingen, auf mir herumzuhacken. Anhand unserer weitervererbten Kleider, die wir im Fluss in der Nähe wuschen und nie bügelten, konnten die anderen Schüler uns schnell als arme Bergkinder erkennen, die wirklich das Letzte vom Letzten waren. Sie hielten uns für schmutzig, weil wir jeden Tag das Gleiche anhatten, und sie wussten, dass wir arm waren, weil wir nur Plastik-Flip-Flops trugen und nie Taschengeld besaßen. Wenn Mama mir neue Flip-Flops kaufte - sie kosteten bloß ein paar Cent -, war ich so stolz auf sie
und hatte solche Angst, sie zu verlieren, dass ich sogar mit ihnen zu Bett ging. Von den anderen Kindern hatten einige sogar eine Armbanduhr und Taschengeld; ich dachte, dass sie unglaubliches Glück hatten, und nahm an, dass ihre Familien sehr reich waren.
    »Auf die musst du aufpassen«, warnte Mama mich, als sie mir die Flip-Flops gab. »Wenn du sie kaputtmachst, kriegst du nämlich keine mehr.«
    Manchmal suchte ich eine Guave oder Santol (eine saure orangefarbene Frucht) und nahm sie mit in die Schule, um sie gegen Papier und Bleistifte zu tauschen, damit ich meine Aufgaben ordentlich machen konnte. Ich hasste es, meine Eltern um Geld zu bitten, weil ich ja wusste, dass sie schon ohne irgendwelche Extrausgaben kaum genug hatten. Die anderen Mädchen in meiner Klasse taten sich gegen mich zusammen und nahmen mir meine Frucht ab, ohne mir etwas dafür zu geben. Dann ging ich abends nach Hause und weinte wieder einmal, mit blauen Flecken von ihren Tritten und Schlägen übersät.
    »Es bringt nichts, wenn du mir etwas vorheulst«, schalt mich Mama eines Abends. »Entweder du wehrst dich, oder du rennst vor ihnen davon.«
    Als ich damals nachts im Bett lag und auf das Surren und Brummen der Insekten im Dschungel lauschte, ließ ich mir ihre Worte durch den Kopf gehen. Auch wenn mir ein bisschen Mitleid gut getan hätte, verstand ich schon, was sie meinte. Wenn ich in die Schule gehen wollte, was ja nun wirklich mein Wunsch war, dann musste ich wohl akzeptieren, dass diese Mädchen, die mich schikanierten, auch da waren. Es war nicht meine Absicht, vor ihnen davonzulaufen, das erlaubte mir mein Stolz nicht, ich beschloss also, mich zu wehren.

    Am nächsten Tag, als das Mädchen, das mir am meisten zugesetzt hatte, von mir verlangte, die Guave herauszugeben, die ich mitgebracht hatte, weigerte ich mich und presste die Frucht fest an meine Brust. Ich spürte, wie mir das Herz in den Ohren pochte, als ich meinen Füßen befahl, sich nicht umzudrehen und davonzurennen. Als das Mädchen anfing, mich zu schlagen, war meine Wut stärker als meine Angst, und ich ging auf sie los, wobei mir die Guave aus der Hand fiel. Ich landete auf ihrem Rücken und heftete mich wie ein Blutegel an sie; dann zog ich sie an den Haaren und schlug meine Zähne oben in ihren Kopf. Die anderen wichen zurück und schauten erstaunt zu. Niemand versuchte, sich die heruntergefallene Guave zu schnappen. An dem Abend ging meine Peinigerin heulend nach Hause, und ihre Mutter stattete meiner Mama einen Besuch ab, um sich über mein wildes Benehmen zu beschweren.
    »Ich habe dir doch gesagt, dass du nicht ungezogen sein sollst!«, sagte Mama, sobald die Frau wieder weg war, offensichtlich schockiert über meine plötzliche Charakteränderung.
    »Du hast mir gesagt, dass ich mich wehren soll!«, protestierte ich, aber meine Tracht Prügel mit dem Stock bezog ich trotzdem, weil ich ihr schon wieder Ärger bereitet und der Familie Schande gemacht hatte.
    »Du warst immer das ungezogenste von allen Kindern«, sagte meine Mutter Jahre später zu mir. »Aber du warst auch das, um das ich mich am meisten gesorgt habe. Du hast
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