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Aus der Spur

Aus der Spur

Titel: Aus der Spur
Autoren: Gregory Smith
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«
    Nelson gehorchte; er war noch fügsamer als Midori. Trotzdem packte ihn Shamus am Arm und zwang ihn mit dem Gesicht zur Wand. Er tastete Nelson ab, aber er fand nur ein Handy und keine Waffe. Gut so, dachte er und legte das Mobiltelefon auf dem Esstisch ab.
    » Ich hab mir schon gedacht, dass du keine Waffe trägst. Du bist nicht gerade Dirty Harry, oder? «
    » Ich bin nur ein Praktikant, schon vergessen? «
    Shamus lachte und packte Nelson an den Handgelenken. » Der war gut. « Dieses Würstchen war ja wirklich nur Haut und Knochen! Shamus fühlte sich auf einmal viel mutiger. Er band der Vogelscheuche mit dem Isolierband die Hände auf den Rücken.
    » Wie haben Sie mich gefunden? «
    » Hinsetzen « , befahl Shamus und führte Nelson zu einem Klappstuhl aus Metall. Er wand ein bisschen Isolierband um Rogers’ Taille und die Stuhllehne. Das genügte völlig, und so würde er hinterher nicht so viel aufräumen müssen. Mit Widerstand rechnete er nicht.
    » Wir müssen reden, und dann muss ich gehen. Aber um deine Frage zu beantworten: Ich hab dich im Telefonbuch nachgeschlagen, du Idiot! « Rogers war so ein Loser.
    ***
    Dank seines Blaulichts hatte Chang auf der 95 North freie Bahn. Er raste zur Ausfahrt, die zu Ryans Wohnanlage führte, und parkte um die Ecke.
    Im Hausflur war alles ruhig. Chang fand Ryans Wohnung und klopfte an die Tür, war allerdings nicht überrascht, als ihm niemand öffnete. Nach einem kurzen Blick über die Schulter zog er einen schmalen Dietrich aus der Tasche. Das Schloss war ein Kinderspiel. Nur eine Minute später stand Chang in Ryans Wohnung. Es roch abgestanden und sauer. Darunter konnte Chang einen Hauch von Benzin ausmachen.
    Er zog seine Waffe und lauschte. Zuerst hörte er gar nichts, aber die Härchen in seinem Nacken richteten sich auf. Die Vorstellung, dass plötzlich Drachenschuppen aus seinem Rücken wuchsen, ließ ihn erschauern. Irgendetwas stimmte hier nicht. Obwohl die Wohnung leer erschien, spitzte Chang die Drachenohren. Er hörte eine Leuchtröhre brummen und den Wasserhahn in der Küche tropfen.
    Der Benzingestank war jetzt ausgeprägter, und Chang betrachtete die Bodenbretter neben der Eingangstür. Er entdeckte einen kreisrunden Abdruck, der von einem Benzinkanister stammen musste.
    So leise wie möglich bewegte sich Chang Richtung Schlafzimmer. Die schabenden Geräusche, die seine Füße auf den billigen Vorlegern und den abgenutzten Dielen machten, kamen ihm viel zu laut vor. Das konnte aber auch an dem empfindlichen Gehör des Drachen liegen.
    Chang sah, dass auch im Schlafzimmer die Luft rein war, und steckte seine Waffe wieder weg. Es war niemand zu Hause. Die Hälfte der Kleiderbügel im Schlafzimmerschrank war leer. War Shamus Ryan fluchtartig aufgebrochen und hatte nur das Allernötigste mitgenommen? Alle Hemden befanden sich in Kleiderbeuteln von Sandys Reinigungsservice. In dem düsteren Raum leuchtete das weiße Logo geradezu.
    Chang ging in die Küche. Die Luft war hier noch stickiger. Der Schein der Leuchtstofflampe wurde von den vergilbten Wänden zurückgeworfen und tauchte den Raum in ein kränkliches Licht. Hatte Shamus Ryan die Lampe mit Absicht brennen lassen?
    Eine Vielzahl von Gerüchen drang ihm in die Nase. Angebrannter Käse, saure Milch, Zitronen…
    Auf der Anrichte entdeckte Chang eine Vase, die aussah, als würde sie aus einem Bestattungsunternehmen stammen. Sie enthielt verwelkte Rosen und stand in einer kleinen Wasserpfütze. Wie Tränenspuren zogen sich graue Streifen die Vase hinab.
    Chang wickelte ein Taschentuch um seine Hand und öffnete den Kühlschrank, in dem ein Glas Senf, eine Getränkedose und ein Karton Milch standen. Dann machte er das Gefrierfach auf.
    Ein Gesicht stierte ihm entgegen, und Chang prallte zurück. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte er, einen weiteren abgetrennten Kopf vor sich zu haben, einen abgetrennten Kopf mit glühenden Augen. Aber dann ging ihm auf, dass es nur ein Foto war, und das noch nicht einmal in Lebensgröße. Warum…?
    Der kühle Nebel, der aus dem Gefrierschrank waberte, trug einen Hauch von altem Tod mit sich. Changs Aufmerksamkeit wurde von dem Eiswürfeltablett angezogen, das eine graue Masse enthielte. Er sog wieder die Luft ein und konzentrierte sich. Es roch nach Knochen, Asche… und Franzbranntwein? Die breiige Masse hatte dieselbe Farbe wie die Dreckspuren auf der Urne.
    Die Schuppen in seinem Nacken richteten sich wieder auf. Konzentrier dich, sagte sich Chang. Shamus
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