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Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Titel: Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
Autoren: Lydia Mark;Benecke Benecke
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Denn eine Austrittsöffnung an Hitlers Schädel würde jedem klarmachen, dass er sich auf jeden Fall erschossen hatte. Damit wäre das Thema der »weibischen« Vergiftung vom Tisch gewesen.
    »Wie also«, fragte ich die Archivarin, »sind Sie eigentlich auf das Schädelstück gestoßen?« »Ganz einfach«, sagte sie. »Eines Tages kamen hier KGB-Agenten mit einer Bibliotheks-Kiste vorbei. Auf der stand deutlich lesbar ›Operation Mythos‹. Da wir mit geheimdienstlichen Dingen immer vorsichtig waren, haben wir die Kiste einfach in eine Ecke gestellt. Dort stand sie dann erst einmal herum.«
    Diese Geschichte, so eigentümlich sie sich auch anhören mag, konnte ich gut nachvollziehen. Denn dass man in den chaotischen, vernachlässigten Krimskrams-Bergen des Archivs eine suspekte Kiste leicht verschwinden und von der auch sonst dort herrschenden Staubschicht bedecken lassen konnte, das konnte ich vor Ort gut erkennen.
    Auch der frühere Direktor des Staatsarchivs, Sergei Mironenko, kennt das: »Ganz reibungslos geht es hier wirklich nicht vonstatten. Alleine im Jahr 1993 wurden uns beispielsweise dreihunderttausendAktenordner übergeben. Für die KGB-Archive ist die Zusammenarbeit auch nicht ganz einfach. Boris Jelzin hatte deren Neuordnung befohlen, aber manche der örtlichen KGB-Dienststellen tun sich mit der Übersendung ihrer Unterlagen an uns schwer. Der zentrale Apparat ist behäbig. Immerhin gibt es aber schon einen Leseraum im Zentralarchiv des Ministeriums für Sicherheit. Das Ganze ist noch nicht vollständig gelöst, aber wir haben einen Anfang gemacht.« Es gab sogar eine Fernsehserie über – so der Titel der Show – Archivmysterien des Staatsarchivs. Sie lief in den Jahren 2000 und 2001 auf dem staatlichen russischen Sender RTR.
    Der filmreife Codename Operation Mythos« ist also gar nicht so verrückt. Wer zudem hin und wieder mit Schlapphüten – so unsere interne Bezeichnung für Agenten aller Art – zu tun hat, kennt die bei ihnen manchmal herrschende Vorliebe für betont unauffällige oder geheimnisvolle Tarnnamen und Vorgangsbezeichnungen. Bis hierhin konnte die Geschichte von der mythischen Operation also stimmen. Die Frage war allerdings, ob in guter alter Agentenmanier nicht eine weitere, tiefere Täuschung und Lüge dahintersteckte.
    »Einige Jahre später«, erzählte die Archivarin weiter, »öffneten wir die bis dahin herumstehende Kiste endlich. Darin lag ein Knochenstück und ein Zettel, auf dem stand: ›Stammt von Hitler‹. Für uns war das nicht sonderlich spannend. Das einzige Mal, dass sich jemand dafür interessiert hat, war bei einer Ausstellung in Moskau, auf der wir das Fragment zeigten. Wenn Sie wollen, könnten Sie es nach Deutschland mitnehmen und dort ausstellen. Was meinen Sie dazu?«
    Ich biss mir auf die Lippe, weil ich nicht lachen wollte – eine Ausstellung mit dem Schädel Hitlers in Deutschland, das wäre vermutlich wirklich ein Erfolg. Fragte sich nur, welche Zuschauer diese Show anziehen würde …
    Mittlerweile stand das Schädelstück vor mir. Es lag, fein gebettet auf einige Taschentücher und ein Stückchen dünnen Schaumstoffs, in einer antiken Diskettenbox.

    Das Erste, was mich am Schädel wunderte, war die wirklich deutlich erkennbare Ausschussöffnung. Beim Ausschuss bildet sich fast immer ein Trichter im Knochen – aber auf der Außenseite, also der Seite, aus der das Projektil zuletzt ausgetreten ist. Das leuchtet zunächst nicht ein, ist aber eine Tatsache, die auf fast alle Schädeldurchschüsse zutrifft. Hier gab es nichts zu diskutieren: Diese Person war mit großer Sicherheit erschossen worden.
    Es fragte sich nur, ob diese Person Hitler war. Diese Frage wurde kürzlich noch einmal spannend, als die DNA desselben Schädels getestet wurde und angeblich von einer Frau stammte. Der Vizechef der russischen Staatsarchive, Wladimir Koslow, meldete daraufhin, das Schädelfragment sei sowieso bloß als »vermutlich zu Hitler gehörend« eingestuft worden und eh erst ein Jahr nach Hitlers Tod gefunden worden. Doch diese Informationen lagen uns damals noch nicht vor. Ich puzzelte also das, was ich wusste, zusammen:
Hier lag ein angesengtes Schädelstück. An den Rändern platzten – ursprünglich hitzebedingt – kleine Plättchen ab. Hitlers Leiche war verbrannt worden. Passte.
Das Fragment bestand aus zwei Teilen, die auf der Innenseite mit Knete zusammengeklebt waren. Diese Stücke sahen so aus wie Einzelstücke, die auch auf einem alten Foto
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